Berlin - Bislang ging das Spiel so: Verteidigungspolitiker von Union und SPD verlangten mehr Geld für die Bundeswehr, Wolfgang Schäuble blockte ab. Doch auch ein Bundesfinanzminister hat die Weltlage im Blick. Der Kampf gegen den IS, der Krieg in der Ukraine, die Zeiten sind instabiler geworden. Bei Innerer Sicherheit und Verteidigung müsse Deutschland daher künftig "mehr schultern", ließ Schäuble in einem Interview wissen.
Es waren wenige Sätze, die aber deutlich machen: Schäuble kann sich eine Korrektur vorstellen. Wenn es Spielräume im Etat erlauben, soll es künftig mehr Geld auch für die Bundeswehr geben. Ist das schon ein Kurswechsel? Nach dem Fall der Mauer wurde im Verteidigungsetat gespart, erst in den vergangenen Jahren wieder zugelegt, das Geld reichte dennoch nicht für eine angemessene Ausstattung aus.
Schäubles Ministeriumssprecher Martin Jäger stellte am Montag erst einmal klar, dass die Überlegungen frühestens für den Haushalt 2017 gelten können. Die bislang vagen Aussagen reichten jedoch aus, um die Aktionäre eines der größten deutschen Rüstungskonzerne zu elektrisieren. Am Montag stiegen die Wertpapiere von "Rheinmetall" an der Börse in Frankfurt am Main zeitweise auf ein Rekordhoch. Der Konzern arbeitet an dem Kampfpanzer Leopard II mit, nun erhoffen sich viele Aktieninhaber offenbar verstärkte Aufträge der Bundeswehr beim heimischen Rüstungskonzern.
Ist-Ausgaben
Soll-Ausgaben
Wie eine konkrete Aufrüstung der Bundeswehr aussieht, mag derzeit niemand in Berlin sagen. Sichtbar aber ist, dass die Truppe in einem Umwälzungsprozess steckt: Lange hatte man sich vor allem auf den Einsatz in Afghanistan konzentriert, wurden Milliarden für den besseren Schutz der Soldaten dort ausgegeben. Wegen der Ukraine-Krise gerät nun die Bündnisverteidigung und die Sorge der östlichen Nato-Staaten in den Fokus. Auch wenn es derzeit nicht offen ausgesprochen wird: Insgeheim geht es auch darum, welche Rolle die Bundeswehr bei einer effektiven Abschreckung einer zunehmend aggressiven russischen Politik im Osten Europas spielen kann.
Beim Koalitionspartner SPD wird Schäubles Ankündigung zwiespältig beurteilt. Dass Schäuble seine Überlegungen per Zeitungsinterview verbreitet habe, sei die "unangemessenste" Weise, das Thema voranzutreiben, sagte SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel. Bevor die SPD einem höheren Etat für die Bundeswehr zustimme, müsse Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein Konzept vorlegen, "wohin die Reise gehen soll".
Dagegen erklärte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Hans-Peter Bartels, eine Erhöhung des Wehretats im Jahr 2017 sei "nötig und vernünftig". Der bisherige Wehretat von 33 Milliarden Euro sei eine "optische Täuschung", allein acht Milliarden gingen für Pensionen und für Liegenschaften drauf, sagte Bartels SPIEGEL ONLINE. "Die Bündnisverpflichtungen nehmen aber einen immer größeren Stellenwert als früher ein, wir fühlen uns zur Solidarität mit unseren östlichenNato-Partnern verpflichtet." Es gehe nicht um eine Aufrüstung der Bundeswehr, sondern darum, bei der Zusammenarbeit im Nato-Bündnis effektiver zu werden, "dafür muss man auch Geld in die Hand nehmen", begründete der SPD-Politiker seine Überlegungen.
Mehr internationale Kooperation
Tatsächlich wurden zuletzt die Lücken bei der Nato-Zusammenarbeit offensichtlich. Deutschland soll den Kernteil einer schnellen Nato-Eingreiftruppe stellen, dabei wurde klar, dass die versprochenen Einheiten weder voll ausgestattet noch schnell per Flugzeug an einen Einsatzort verlegbar sind.
Im Verteidigungsressort betont man, man sei derzeit bei der Analyse und schreibe keine Wunschzettel. So prüfen die Militärs, wie viele der rund 300 deutschen Panzer voll einsatzbereit sind, wie viele ältere Modelle noch aufgerüstet werden können und ob man den versprochenen Verkauf von ausgemusterten Leopard-Panzern an Partnerländer noch stoppen kann.
Schon jetzt ist klar, dass die Aufrüstung der Panzer-Einheiten viel Geld kosten würde, auch wenn man keine neuen Leopard einkauft. Von einem zweistelligen Milliardenbetrag ist die Rede. Insider betonen, dass die Fokussierung auf Panzer - die durch Forderungen einzelner Koalitionäre angeheizt wird - irreführend sei. "Wenn wir die durch die Ukraine-Krise gestiegenen Anforderungen der Nato erfüllen wollen", sagt ein General, "werden wir in allen Bereichen investieren müssen". Als Beispiel nannte er den Lufttransport, um Einheiten im Krisenfall schnell verlegen zu können.
Bei aller Freude über Schäubles Offenheit - vor Verteidigungsministerin von der Leyen liegt eine Menge Arbeit. Immer wieder monierte Schäuble, dass die Bundeswehr wegen Fehlplanungen und Pannen bei der Industrie bereits genehmigte Milliarden nicht ausgeben kann. Beispiele sind der Eurofighter oder auch der Militär-Airbus A400M. Wenn von der Leyen dieses Problem nicht unter Kontrolle bekommt, wird Schäuble auch 2017 kaum zur Anhebung des Wehretats bereit sein.
Zusammengefasst: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kann sich vorstellen, ab 2017 mehr Geld für die Bundeswehr und für die Innere Sicherheit zur Verfügung zu stellen. Der Grund: die neue Sicherheitslage durch die Ukraine-Krise und der Kampf gegen den IS. Die SPD will, dass vor allem die Zusammenarbeit im Nato-Bündnis gestärkt wird. Zur Frage eines höheren Wehretats gibt es in der Partei unterschiedliche Ansichten.
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