lundi 30 mars 2015

Kommentar zu Atomverhandlungen mit Iran: Obamas letzte Chance


Die Zeit wird knapp. Einigen sich Iran und die internationale Gemeinschaft - vertreten durch die fünf Vetomächte des Uno-Sicherheitsrats plus Deutschland (P5+1) - nicht in den nächsten Stunden auf ein Rahmenabkommen im Atomstreit, dann hat die Welt eine Krise mehr in ihrer Krisenregion Nummer eins.


Gibt es keine vorläufige Einigung oder einen aus Sicht des Westens schlechten Deal, dann scheitert damit auch ein zentrales außenpolitisches Projekt des US-Präsidenten.

Denn es war Barack Obama, der zu Beginn seiner ersten Amtszeit dem Mullah-Regime die Hand entgegenstreckte und zu Beginn seiner zweiten Amtszeit die konkreten Verhandlungen anschob, nachdem in Teheran der ein wenig gemäßigtere Islamist Hassan Rohani zum Präsidenten gewählt worden war.


Wenn der Iran der Bombe abschwört, dann ist das also vor allem das Verdienst der Amerikaner. Und wenn die Verhandlungen doch noch scheitern? Dann hat auch vor allem Obama ein Problem, denn der US-Präsident hat viel politisches Kapital investiert.


Im Erfolgsfall könnte Obama ein Versprechen erfüllen, dass ihn vor sieben Jahren ins Amt trug: Amerikas Interessen durch internationale Kooperation zu wahren, statt durch unilaterale Alleingänge das Ansehen der USA zu ruinieren. Folgt auf das Rahmenabkommen ein endgültiger Deal im Sommer und verhindert Obama mit dieser Politik auf Dauer die atomare Bewaffnung Irans, dann ist das erstens ganz konkret ein großes politisches Erbe. Und zweitens würde Obama damit generelle Maßstäbe für eine gewaltfreie Außenpolitik setzen, die von seinen Nachfolgern nicht so einfach ausgehebelt werden könnten (Lesen Sie hier über die Knackpunkte in den Verhandlungen).


Und wenn es schiefgeht? Problematischer noch als ein Scheitern der Verhandlungen - das man wohl Iran zuschreiben müsste - wäre für den US-Präsidenten ein schlechter Deal. Also ein Abkommen, das Teheran letztlich doch nicht an der nuklearen Bewaffnung hindert und in der Folge ein atomares Wettrüsten (Saudi-Arabien, Ägypten, Türkei) in der Region auslöst. Oder ein Abkommen, das der US-Kongress mit republikanischer Mehrheit und einzelnen demokratischen Verbündeten unterminieren könnte. Für nichts und wieder nichts hätte Obama dann das Verhältnis zu seinen Alliierten, insbesondere Israel, abkühlen lassen. In den USA bekämen Leute wie der Ex-Uno-Botschafter John Bolton neuerlich Oberwasser, einer der Macher des Irak-Kriegs. Jüngst erst hat Bolton für Militärschläge gegen Iran plädiert.


Verhandler im Beau-Rivage-Hotel in LausanneZur Großansicht

REUTERS


Verhandler im Beau-Rivage-Hotel in Lausanne




Obama war angetreten, die furchtbaren Fehler dieser Leute auszubügeln. Mit hochfliegenden außenpolitischen Plänen ist er gestartet - aber in all den Jahren hat er sie kaum umsetzen können. Man muss sagen: leider. Obama wollte Amerikas Rolle in der Welt aktiv neu verorten, doch meistens musste er auf immer neue Krisen reagieren: auf den Arabischen Frühling und dessen Scheitern, auf den Aufstieg islamistischer Terrormilizen, auf die russische Aggression, auf die Enthüllung der Machenschaften der NSA.

Obamas Krisenreaktionspolitik wirkte mitunter eigentümlich strategielos: Er setzte dem syrischen Diktator eine rote Linie, die er ihn dann folgenlos überschreiten ließ; er verweigerte den moderaten syrischen Rebellen Hilfe, als die noch Einfluss hatten; er half mit beim Sturz des libyschen Diktators und zog sich dann zurück. Aus pragmatischen Zwängen heraus akzeptiert Obama eine Quasi-Allianz mit Iran im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) im Irak; im Jemen dagegen unterstützt er die Gegner Irans.


Es ist ein heilloses Durcheinander. Wieviel daran ist Obamas Strategielosigkeit geschuldet? Wieviel dem allgemeinen Chaos in der Welt? Wer weiß das schon.

Klar ist nur dies: Barack Obama hat jetzt die Chance, Geschichte zu schreiben. Er hat die Chance, ein bisschen Ordnung in diese chaotische Welt zu bringen. Dann hätte er in seinen acht Jahren zwei wesentliche Ziele erreicht, ein innen- und ein außenpolitisches: in der ersten Amtszeit den allgemeinen Krankenversicherungsschutz ("Obamacare") und in der zweiten den Atom-Deal.


Es ist womöglich Obamas letzte Chance, ein außenpolitisch erfolgreicher Präsident zu werden.




Zum Autor




Sebastian Fischer ist seit August 2011 USA-Korrespondent von SPIEGEL ONLINE in Washington.

E-Mail: Sebastian_Fischer@spiegel.de


Der Autor auf Facebook


Mehr Artikel von Sebastian Fischer






News verfolgen


HilfeLassen Sie sich mit kostenlosen Diensten auf dem Laufenden halten:



alles aus der Rubrik Politik

Twitter | RSS

alles aus der Rubrik Ausland

RSS

alles zum Thema Meinung

RSS






Share this post
  • Share to Facebook
  • Share to Twitter
  • Share to Google+
  • Share to Stumble Upon
  • Share to Evernote
  • Share to Blogger
  • Share to Email
  • Share to Yahoo Messenger
  • More...

0 commentaires:

Enregistrer un commentaire