lundi 30 mars 2015

Kaputtes Privatleben - Sind nur sozial Gestörte gute «Tatort»-Ermittler?


Wieder gibt er sich wortkarg, geht seinen eigenen Weg und hat sich nicht immer unter Kontrolle. Er liebt Hörspiele im Radio und nimmt sie auf Kassetten auf. Ein Mann – ein Mysterium. Gestern hat er sich wieder auf Spurensuche gemacht: Klaus Borowski, gespielt von Axel Milberg, «Tatort»-Ermittler im norddeutschen Kiel.



Borowski ist nicht der einzige Kriminalbeamte mit einer Macke. Peter Faber (Jörg Hartmann) etwa wandelt seit dem Unfalltod seiner Frau auf Antidepressiva wie ein Zombie durch Dortmund. In Stuttgart musste Sebastian Bootz (Felix Klare) erst mit der Krebsdiagnose seiner Ehefrau fertigwerden – und dann mit der Tatsache, von ihr verlassen worden zu sein. Der lebensmüde gewordene Frankfurter Kommissar Frank Steier (Joachim Król) hingegen gibt sich nach getaner Arbeit am liebsten dem Spiritus hin.


Psychogramm eines Amokläufers


Kurzum: Das Privatleben der «Tatort»-Protagonisten liest sich wie das Psychogramm eines psychisch labilen Menschen. Laut Drehbuchautor Jürgen Werner, verantwortlich für die Dortmunder Folge «Hydra», sollen gerade diese Eigenschaften die Ermittler aber menschlicher machen: «Wir binden das Private stets in die Fälle mit ein, dadurch erhöhen wir das Tempo der Geschichte und geben dem gesamten Team seine ganz eigene Dynamik», sagte er Anfang 2015 in einem ARD-Interview.


Zweifellos haben die Hauptdarsteller ein Profil. Und Charakter. Wenn auch nicht immer den tadellosesten. Möglicherweise macht gerade dies die Schauspieler so populär. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) zum Beispiel ist ein arroganter Macho. Ein Snob noch dazu. Höchst narzisstisch. Ein veritables Ekel eigentlich. Doch er und Kollege Frank Thiel (Axel Prahl) begeistern das Publik: Der «Tatort» aus Münster erzielt regelmäßig Spitzenquoten.


«Die Freaks fangen an mich zu langweilen»


Doch der Sonntagabend-Krimi polarisiert auch. In den sozialen Netzwerken lassen diverse genervte Zuschauer ihrem Unmut freien Lauf. «Ich hätte nichts gegen ein paar normale #Tatort-Kommissare. Die Freaks fangen an mich zu langweilen», schreibt User Max auf Twitter. Ralf Heimann meint: «Das Revolutionärste, was man im deutschen Fernsehen machen könnte: Tatort-Kommissar mit intakter Familie.»


Etwas dezidierter formuliert es der Schweizer Regisseur und Drehbuchautor Martin Witz, der unter anderem den Film «Dutti der Riese» ins Kino brachte: «Klar braucht es eine persönliche Backstory, allerdings wird sie in den ‹Tatort›-Drehbüchern meiner Meinung nach unglaublich stereotyp bedient.» Besonderheiten ja – nur bitte ohne Klischee.


Bekannte Muster reichen nicht mehr


Doch wieso muss der soziale Hintergrund der Kriminalbeamten überhaupt so genau ausgeleuchtet werden? Schließlich geht es in der Serie um ein Verbrechen, das es aufzuklären gilt. «Der Zuschauer hat schon viel gesehen. Deswegen reichen die bekannten Verhaltensmuster von früher wohl auch nicht mehr aus», versucht Filmemacher Peter Luisi («Schweizer Helden») das Phänomen zu erklären.


Charaktermenschen tun einem TV-Krimi, und nicht nur ihm, also sicher gut. Nur sollten Gemeinplätze nicht überstrapaziert werden. Gefragt sind Typen statt Typologien.






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