mercredi 29 avril 2015

BND-Affäre: Die Bundesauskunftsverweigerer

Oft ist es in der Politik so: Weniger eine Affäre selbst, sondern der ungelenke Umgang mit ihr wird für die Beteiligten zum Problem. Dieser Tage lässt sich das wieder beobachten. Der jüngste Skandal rund um den BND und die mögliche Wirtschaftsspionage der NSA sind beunruhigend. Aber wie die Bundesregierung mit dem Fall umgeht, macht die Sache noch schlimmer.

So auch an diesem Mittwoch. Da geht es um die Frage, ob die Regierung gegenüber dem Parlament falsche Angaben gemacht hat. Am 14. April verneinte sie schriftlich eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion, ob ihr Erkenntnisse zu möglicher NSA-Wirtschaftsspionage vorlägen. An der Antwort war auch das Kanzleramt beteiligt.

Dort aber wusste man seit spätestens 2010 von einem solchen Verdacht. Zudem war erst am 12. März BND-Präsident Gerhard Schindler bei Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) vorstellig geworden, um von NSA-Spionageversuchen zu berichten, die gegen europäische Interessen gerichtet waren. Gut vier Wochen vor der Antwort an die Linke also.

Kanzleramtschef Altmaier: Im März von BND-Präsident Schindler informiertZur Großansicht

AFP

Kanzleramtschef Altmaier: Im März von BND-Präsident Schindler informiert

Aber eine Falschauskunft? Kann Angela Merkels Sprecher nicht erkennen. Diesen Vorwurf "weise ich ausdrücklich zurück", sagt er. Also steht er weiter zu der Antwort vom 14. April, dass keine Erkenntnisse zu einer möglichen NSA-Wirtschaftsspionage vorliegen? Er sei nicht in der Lage, dies "mal so eben" zu beantworten. Es gehe schließlich um geheime Angelegenheiten. Die Widersprüche bleiben - Aufklärung Fehlanzeige.

Nur ein Teil der Affäre, sicher. Aber er steht beispielhaft für den immer unglücklicheren Umgang der Bundesregierung mit den jüngsten Vorwürfen an BND und NSA. Merkel verspricht Aufklärung, und lässt dann ihren Sprecher herumlavieren. Thomas de Maizière, als Ex-Kanzleramtschef besonders unter Druck, stellt sich forsch gegen sämtliche Vorwürfe, er habe zwischen 2005 und 2009 dem illegalen Treiben der NSA tatenlos zugesehen. Aber erklären kann er es nicht. Ist ja geheim, das alles.

Selbst die Wirtschaft wird inzwischen unruhig. Sofortige Aufklärung von der Bundesregierung fordert BDI-Präsident Ulrich Grillo. Es ist ein Vorgeschmack darauf, was auf die Regierung in den nächsten Tagen und Wochen noch zukommen könnte. Es gibt drängende Fragen.

Wer und was steht auf der NSA-Selektorenliste?

Die Liste mit den sogenannten Selektoren ist das große Geheimnis der Affäre. Seit 2002 lieferte die NSA dem BND täglich eine Liste mit Suchbegriffen, also Telefonnummern oder E-Mail-Adressen, um sie in die deutschen Datenbanken einzuspeisen. Der BND filterte die Begriffe angeblich, will deutsche Staatsbürger und deutsche und europäische Firmen aussortiert haben. Rund 40.000 solcher ausgesonderten Einträge sollen über die Jahre zusammengekommen sein. Grüne, Linke und die SPD wollen sie sehen. Notfalls auch gegen den Widerstand Washingtons. Inzwischen hat das Kanzleramt dem Parlament wichtige interne BND-Unterlagen übermittelt. Die Akten wurden in der Geheimschutzstelle des Bundestages hinterlegt - die Selektoren-Liste ist wohl nicht dabei.

Wann sind NSA-Spionageversuche gegen europäische Interessen erstmals entdeckt worden?

Nach bisheriger Erkenntnislage registrierte der BND im Jahr 2005, dass die NSA im gemeinsamen Horchposten Bad Aibling Suchbegriffe in das BND-System einspeisen wollte, welche den europäischen Rüstungskonzern EADS und den Hubschrauber-Hersteller Eurocopter betrafen. Dies sei aber durch die Prüfung der gelieferten Suchbegriffe angeblich verhindert worden.

Was passierte wirklich 2005 in Bad Aibling?

Soweit man es weiß, wurden die entsprechenden Suchkriterien vom BND ausgesondert, die Amerikaner bekamen demnach auch keine Daten aus dem BND-Überwachungssystem. Ob man die NSA auf den merkwürdigen Versuch ansprach, ist unklar. Vor dem NSA-Untersuchungsausschuss sagten BND-Mitarbeiter aus, man habe dies nicht getan, da die Amerikaner nicht wissen sollten, wie die Deutschen die NSA-Wünsche aussortierten.

Zog das Kanzleramt damals Konsequenzen?

Bisher ist darüber nichts bekannt. Da die Unterlagen zu den Vorgängen zumeist als "streng geheim" eingestuft sind, verweigert die Regierung seit Tagen jegliche Auskunft und verweist auf die Unterrichtungen des ebenfalls geheim tagenden Kontrollgremium des Bundestags. Mehrere Vermerke aus den Jahren 2008 und 2010, in dem der Eifer der NSA beschrieben wurde, führten aber offenbar nicht zu einer internen Prüfung der Vorgänge.

Warum wurde die BND/NSA-Kooperation nach den Snowden-Enthüllungen 2013 nicht penibel geprüft?

Diese Frage dürfte noch eine große Rolle spielen. Spätestens nachdem bekannt wurde, dass die NSA über Jahre das Privathandy der Kanzlerin angezapft hatte, versprach die Regierung eine umfangreiche Aufklärung. Die jetzigen Erkenntnisse wollen zu dieser Beteuerung nicht passen. Das Kanzleramt musste bereits einräumen, dass man sich die umstrittene Zusammenarbeit erst genau ansah, als der Untersuchungsausschuss jüngst einen entsprechenden Beweis-Antrag stellte.



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