mardi 17 février 2015

Wahlkampf in Israel: Das Märchen vom bescheidenen Bibi


Jerusalem/Berlin - Eine so ausgeprägte Bescheidenheit eines Regierungschefs könnte einem fast Tränen der Rührung in die Augen treiben. Sara Netanyahu, Gattin von Israels Premier, führt den in Israel bekannten Designer Moshik Galamin begleitet von einem Fernseh-Team durch ihre Küche: Die Farbe blättert von der Wand, die Kunststofffronten der Schränke splittern. Die TV-Größe zeigt sich erschüttert: "Hier sieht es aus wie in einem rumänischen Waisenhaus von 1954!"


Sara Netanyahu zeigt auf ein paar billige Stühle, von denen keiner zum anderen passt. "Nachts kann man den Premierminister hier erwischen, wenn er heimlich nascht - ein Sandwich oder Käse", verrät sie. "Unser Lieblingsgericht ist Schnitzel mit Kartoffelbrei und Pasta."

Das Video mit der Küchenszene (klicken Sie hier, um das Video zu sehen - die Küchenszene beginnt bei Minute 11:44) hat Netanyahu auf seiner eigenen, offiziellen Facebook-Seite posten lassen. Dumm nur: Es ist gar nicht die Küche der Netanyahus. Wie der israelische Fernsehsender Channel 2 anhand alter Aufnahmen belegt, wird die renovierungsbedürftige Küche im Erdgeschoss der Premierminister-Residenz nur von den Hausangestellten benutzt. Das Ehepaar Netanyahu dagegen nutzt die im Stockwerk darüber - eine top ausgestattete, moderne Luxusküche.


Die Küchen-Blamage ist die jüngste Peinlichkeit in einem von Skandalen und Skandälchen geprägten Wahlkampf. Am 17. März wählt Israel ein neues Parlament. Umfragen sehen seit Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Netanyahus rechter Likud-Partei und der Mitte-Links-Opposition.


Mit der Inszenierung seiner Bodenständigkeit wollte Benjamin "Bibi" Netanyahu offenbar einem für ihn unangenehmen Bericht zuvorkommen, der am Dienstagnachmittag veröffentlicht wurde. Israels Oberster Rechnungsprüfer Joseph Shapira hat die Ausgaben der Netanyahus überprüft und dabei schweren Missbrauch festgestellt. Aus dem Bericht geht hervor, dass Netanyahu und seine Familie in den Jahren 2009 bis 2013 teilweise riesige Summen für Lebensmittel, Kleidung und Reinigung ausgegeben haben.


Allein die Kosten für Nahrungsmittel und öffentliche Empfänge haben sich nach dem Amtsantritt Netanyahus im März 2009 mehr als verdoppelt - am höchsten waren sie im Jahre 2011 mit 490.000 Schekeln (111.000 Euro). Nach öffentlicher Kritik am verschwenderischen Lebensstil der Netanyahus fiel die Summe dann wieder deutlich.


Der Bericht listet nur die Ausgaben der Netanyahus in ihren zwei Häusern - der offiziellen Residenz in Jerusalem und dem Privathaus am Strand - zwischen 2009 und 2013 auf. Viele andere im Wahlkampf öffentlich gewordene Korruptionsfälle der Familie werden lediglich im Vorspann erwähnt, sie sind noch gar nicht Gegensand des Berichts. So etwa Sara Netanyahus Flaschenpfand-Raffgier oder das Luxusfrühstück, für das sich der Premier mehr als 4500 Euro erstatten ließ - obwohl es nur 70 Euro kostete. Die neuen Vorwürfe weckten die "Sorge eines kriminellen Vergehens", heißt es aber in dem Report.


Ob die Skandale Benjamin Netanyahu politisch schaden können, ist fraglich. Seine Anhänger sehen ihm viele Peinlichkeiten nach, solange er sich als Garant für Sicherheit inszeniert. In seinem jüngsten Wahlkampf-Video stellt Bibi seine politischen Rivalen als naive Trottel dar, die bärtigen Kämpfern des "Islamischen Staat" den Weg nach Jerusalem weisen. Zuvor hatte Netanyahu ein Video veröffentlicht, bei dem er bei einem israelischen Paar als "Bibisitter" an der Tür klopft. "Frieden, aber nicht um jeden Preis", ist die Botschaft des kurzen Clips. Eine Version mit englischen Untertiteln gibt es hier. Jizchak Herzog, Chef der sozialdemokratischen Arbeiterpartei hat sich mit Tzipi Livni, Ex-Außenministerin und Chefin der Bewegung-Partei im "HaMahane HaTzioni", dem Zionistischen Lager, verbündet, das für eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern eintritt. Ihr Slogan: "Rak lo Bibi", bedeutet grob übersetzt: Alles, bloß nicht Bibi.


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