samedi 28 février 2015

Der Kreml und der Nemzow-Mord: Operation Desinformation


In Russland sind Verschwörungstheorien ein beliebtes Mittel, um Politik zu machen - oder zu verschleiern. So hängen viele russische Hardliner immer noch der These an, dass sich während der Maidan-Revolution in Kiew die CIA die Demonstranten mithilfe von Drogen-getränkten Butterbroten gefügig gemacht habe. "Einsatz psychotroper Waffen" nennen das Kenner in der russischen Hauptstadt.


Solche Theorien werden häufig von Medien aufgegriffen, wenn offensichtlichere Erklärungen für Russland wenig schmeichelhaft sind. Im Fall der Ukraine zum Beispiel die Tatsache, dass die Mehrheit der Bevölkerung wohl genug hatte vom Wirken des von Russland gestützten Janukowytsch.

Auch im Falle des ermordeten Oppositionsführers Boris Nemzow verbreitet der Kreml eine Reihe kruder Theorien. Nach Angaben von Alexander Bastrykin, Chef des staatlichen Ermittlungskomitees und Studienfreund von Wladimir Putin, ermitteln die Behörden in die folgenden vier Richtungen:



  • Ziel des Mordes sei eine "Provokation zur Destabilisierung der politischen Lage im Land". In diesem Falle, so Chef-Ermittler Bastrykin, sei Nemzow "zu einer Art sakralem Opfer geworden für jene, die vor nichts Halt machen, um ihre politischen Ziele zu erreichen". Mit anderen Worten: Nemzow wurde getötet, um den Mord Putin in die Schuhe zu schieben. Verantwortlich wären dafür entweder Nemzows eigene Mitstreiter aus den Reihen der Opposition - oder westliche Geheimdienste.



  • Islamisten hätten Rache an Nemzow genommen, weil er sich für das islamkritische Satire-Magazin "Charlie Hebdo" stark gemacht habe. Warum die Gotteskrieger unter Millionen Fans des Magazins allerdings ausgerechnet Nemzow in Moskau niederstrecken sollten, sagt Bastrykin nicht.



  • Ukrainische Extremisten könnten hinter dem Mord stecken. Dort kämpften "auf beiden Konfliktseiten radikale Personen, die sich niemandem unterordnen", so Bastrykin.



  • Nemzow habe womöglich undurchsichtige Geschäfte getätigt und sei "aus kommerziellen Gründen" ermordet worden.


All diese Motive würden "sorgfältig überprüft", so das Ermittlungskomitee. Eine Möglichkeit dagegen schließen die Staatsanwälte kategorisch aus: Dass der Tod des Putin-Kritikers Nemzow irgendetwas zu tun habe mit seiner Kritik an Putin.


Auch die kremltreuen Medien boten ihren Lesern lieber andere Erklärungen für den Mord an. Nachts um 1:31 Uhr Moskauer Zeit meldete das mit russischen Sicherheitskreisen eng vernetzte Portal Lifenews, bei Nemzows weiblicher Begleitung habe es sich um eine Ukrainerin gehandelt. Um 3:04 Uhr legte Lifenews nach, jemand könnte "Rache an Nemzow genommen haben, weil er seine Geliebte zur Abtreibung gezwungen hatte". Um 6:01 Uhr ging es weiter: Lifenews meldete unter Berufung auf einen Moskauer Politologen, Nemzow sei "nicht zufällig zum Objekt einer Provokation" gegen den Kreml geworden.


Widersprüche - kein Problem


Das hatte zwar nichts mehr mit der eben noch von dem Medium verfolgten ukrainischen Spur zu tun, passte aber gut in die Strategie der russischen Propaganda. Die lautet: Im Zweifel ein paar Zweifel säen.


Ähnlich war Moskau bereits im Fall des im Juli letzten Jahres abgeschossenen Flugs MH17 vorgegangen. Russland behauptete damals, die Boeing sei von einem ukrainischen Kampfjet beschossen worden. Erst war es eine Rakete, dann sollte es doch ein Bordgewehr gewesen sein. Im Dezember präsentierte das Millionenblatt Komsomolskaja Prawda dann einen ukrainischen Piloten, der von einem Abschuss durch Kiew sprach, wiederum durch Raketen.


Derlei Widersprüche scheinen kein Problem zu sein, es geht bei dieser Form der Öffentlichkeitsarbeit offenbar nicht um eine wasserdichte Beweiskette. Es reicht, die Öffentlichkeit mit Desinformation zu überfrachten.


Propaganda-Schlacht im Netz


Gleichzeitig bedienen sich die Kreml-nahen PR-Strategen immer stärker der sozialen Netzwerke, wie der Fall des ermordeten Politikers Nemzow erkennen lässt. Neben vielen Putin-freundlichen Nutzern und Kommentatoren wurden in den frühen Morgenstunden auf Twitter auch Hunderte Bot-Konten aktiv. Sie alle verbreiteten den gleichen Satz: "Nemzow haben die Ukrainer umgebracht. Angeblich hat er irgendeinem Ukrainer die Freundin ausgespannt."

Ungefähr zur gleichen Zeit verbreitete das Kreml-Portal Lifenews die Meldung über die angebliche Abtreibung bei Nemzows ukrainischer Begleiterin. Gegen Mittag wurde von Tausenden Bots ein zweiter Satz verbreitet: "An alle Verräter des Vaterlands: Euer Leben ist Euren Herren nichts wert." Versehen war er mit dem Hashtag #SakralesOpfer. Vermutlich war diese konzertierte Aktion ein Versuch, das Hashtag in Russlands Twitter-Trends zu katapultieren, die viele Nutzer sehen.


Die Nemzow-Hasser, deren Twitter-Bots unverfängliche Namen tragen wie "HyldaBishop" oder "JohnSloan", sind durch die Ermordung Nemzows anscheinend noch nicht zufrieden gestellt. Als am Tatort der liberale Politiker Anatolij Tschubais auf Knien um seinen toten Freund Nemzow trauerte, twitterten sie hundertfach, man hätte ihn auch erschießen lassen sollen. Von einem Scharfschützen.




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