Der neue Nato-Chef Jens Stoltenberg las den deutschen Spar-Politikern die Leviten. Ein so großes und kraftvolles Land müsse mehr Verantwortung übernehmen und mehr in die Nato investieren, sagte er jüngst vor dem Verteidigungsausschuss in Berlin. Angesichts der Ukraine-Krise, so setzte Stoltenberg fort, müsse die Allianz ihre Arsenale aufstocken. Nur eine "Position der Stärke" böte eine solide Basis für einen Dialog mit Moskau.
Jedes Nato-Land soll mindestens zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für Verteidigung aufwenden. Das gilt schon lange, doch kaum ein Mitglied erfüllt die Bedingung. Berlin genehmigt derzeit knapp 1,3 Prozent für die Bundeswehr - rund 33 Milliarden Euro. Tendenz: stagnierend und beim "Arsenal", also der militärischen Beschaffung, ist die Tendenz sogar: abnehmend.
Dieser Etat-Titel macht zwar weniger als 15 Prozent vom Verteidigungshaushalt aus - der weitaus größte Batzen geht fürs Personal und die Versorgung und Unterbringung drauf. Dabei spielt die militärische Ausrüstung bei der strategischen Neuausrichtung der Bundeswehr eine zentrale Rolle.
Soll die Bundeswehr schnell auf verschiedene Szenarien reagieren können, braucht sie Ausrüstung, die auch zuverlässig funktioniert.
Die zuständige Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) zeigt sich beim Thema "mehr Geld für die Bundeswehr" zurückhaltend. Im vergangenen Herbst verlief eine schüchterne Initiative zur Aufstockung der Mittel unter dem gestrengen Blick Schäubles im Sande.
Zusätzliche Mittel lehnte sie bei Stoltenbergs Besuch im Januar ab. Statt Etatsteigerungen solle die Allianz durch mehr Kooperationen bei Missionen und Rüstungsprojekten effizienter agieren, so ihre Linie.
"Geld allein schafft noch nicht die notwendige Modernisierung"
Doch angesichts der Krisen von der Ukraine bis Syrien wächst der Druck. Das zeigte die dramatisch verlaufende Münchner Sicherheitskonferenz. Als die "Süddeutsche Zeitung" bei dieser Gelegenheit nochmals nach der von Stoltenberg geforderten Mittel-Erhöhung fragte, wich von der Leyen einer klaren Antwort geschickt aus.
Die Ministerin : "Im vergangenen Jahr ist uns allen klar geworden, dass Sicherheit nicht von alleine kommt. Mit den Krisen in unserer Nachbarschaft und den zusätzlichen Einsätzen wachsen die Ansprüche an die Bundeswehr. Wir müssen sie entsprechend ausstatten. ... Aber Geld allein schafft noch nicht die notwendige Modernisierung."
Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprach sich bei der Gelegenheit gegen eine Erhöhung der Mittel aus:
Gabriel: In den letzten Jahren ist es immer so gewesen, dass die Mittel überhaupt nicht ausgeschöpft wurden. Von daher sehen wir keine Notwendigkeit, jetzt den Rüstungsetat zu erhöhen."
Damit sprach Gabriel ein tatsächliches Problem an: Die Bundeswehr schafft es angeblich nicht, das ihr genehmigte Geld auch auszugeben. Schuld sind eben die "Militärischen Beschaffungen".
Ende 2013 blieben rund 1,6 Milliarden Euro ungenutzt: insbesondere bei den Hubschraubern "Tiger" und NH90, beim Schützenpanzer "Puma", beim Transportflugzeug A400M und beim Kampfflugzeug "Eurofighter". Mal hatte die Industrie die Liefertermine nicht eingehalten, mal waren Stückzahlen nachträglich vermindert worden, mokierte sich die "FAZ".
"Wir können ja nicht Rechnungen bezahlen, für Material, das wir noch gar nicht haben", erklärte Bartholomäus Kalb (CDU), Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses, dem NDR.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Auch 2014 gelang es dem Ministerium nicht, den Beschaffungsetat auszuschöpfen. Es blieben abermals rund 760 Millionen Euro übrig, das bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf Anfrage. Die eingetretenen Minderausgaben, so das Ministerium, beruhten auf Verzögerungen im Zulauf von Waffensystemen sowie auf Minderleistungen der Industrie.
Die freigewordenen Mittel dienten der Erwirtschaftung der vom Haushaltsausschuss beschlossenen Globalen Minderausgabe in Höhe von 400 Millionen Euro sowie der Deckung von Mehrbedarf bei den Personalausgaben.
Richtig ist also, dass die Etat-Mittel im Bereich Beschaffungen seit 2011 kontinuierlich gesenkt wurden und richtig ist auch, dass selbst die geringeren Mittel nicht abflossen.
Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und was heute von der Industrie nicht geliefert wurde, wird vielleicht morgen fertig, und eines Tages werden wir womöglich einen voll einsatzfähigen Transall-Nachfolger auf dem frisch eingeweihten Berliner Flughafen landen sehen mit einer gesalzenen Rechnung an Bord.
Fazit: Gabriel hat insofern Recht, als es das Verteidigungsministerium in den vergangenen fünf Jahren kein einziges Mal geschafft hat, die bewilligten Summen für militärische Beschaffungen auch auszugeben. Bevor die dafür verantwortlichen Strukturen nicht reformiert worden sind, macht ein erhöhter Beschaffungs-Etat wenig Sinn. Doch sofern es den Etat für die Bundeswehr insgesamt betrifft, liegt er falsch. Die für Verteidigung 2014 angesetzten Mittel sind nicht nur "voll verausgabt" worden, sondern, so das Ministerium, es hat sogar eine "Mehrausgabe in Höhe von ca. 700 Millionen Euro gegeben".
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