Berlin - Es geht wieder los - das unter Sozialdemokraten und Journalisten besonders beliebte Spiel "Wer-wird-SPD-Kanzlerkandidat?". Nach dem Erfolg bei der Hamburg-Wahl ist Olaf Scholz nach Meinung seiner Fans endgültig im Rennen und könnte damit Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel die Kandidatur bei der Bundestagswahl 2017 streitig machen.
Auch wenn SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi entsprechende Spekulationen am Montag als "absurd" zurückwies - die Debatte läuft. Dagegen hilft auch nicht, dass Scholz in der Hansestadt noch am Wahlabend darauf hinwies, er habe "hier als Bürgermeister kandidiert und das will ich auch sein und nicht was anderes". Solche Sätze sind in der Politik wenig wert, wenn höhere Ämter locken.
Falls tatsächlich beide wollten, wäre auch eine Urwahl unter den SPD-Mitgliedern möglich. Wer wäre der bessere Kandidat, um in zweieinhalb Jahren für die SPD anzutreten, wahrscheinlich erneut gegen Amtsinhaberin Angela Merkel?
SPIEGEL ONLINE macht den Kanzlerkandidaten-Check
Es gibt wohl keine Kategorie, in der Sigmar Gabriel und Olaf Scholz so weit voneinander entfernt sind, wie in dieser: Der Hanseat Scholz ist ein äußerst kontrollierter Mann. Selbst intern sind keine Ausbrüche von ihm bekannt, deutliche Worte, ja - aber mehr nicht. Auch mit positiven Gefühlen hält er sich zurück, sein leises, glucksendes Lachen gilt als höchster emotionaler Ausdruck. Dadurch wirkt Scholz jederzeit seriös, aber auch etwas dröge. So wie hier bei der Konfrontation mit Femen-Aktivisten bei einem Auftritt in Hamburg:
Gabriel dagegen gilt als Choleriker. Wenn ihm etwas missfällt, geht er innerhalb von Sekunden an die Decke - vor Journalisten, Bürgern oder Parteifreunden. Ob Kameras und Mikrofone dabei sind, ist dem SPD-Chef dann ziemlich egal. Gabriel kann aber auch unglaublich charmant sein, dann wickelt er die Menschen um den Finger. Selbst die Kanzlerin soll ihm in früheren groß-koalitionären Zeiten schon erlegen sein. Gabriel ist mitreißend wie kaum ein anderer deutscher Politiker, wenn er will. Und er ist unglaublich spontan, wie das Video von diesem Aufeinandertreffen mit Greenpeace-Aktivisten zeigt: Dennoch bleibt die Frage: Hat ein solch emotionaler Achterbahnfahrer das Format, um Kanzler sein?
Politiker sind Einzelkämpfer. Aber um ganz nach oben zu kommen, braucht man andere, knüpft Netzwerke, spricht sich ab. Olaf Scholz hat das früh begriffen, er gilt als Teamplayer. So machte Scholz in der SPD weiter Karriere, obwohl seine Zeit als Generalsekretär keine glückliche gewesen war. Es gibt kaum Spitzen-Sozialdemokraten, die schlecht über ihn sprechen.
Anders bei Sigmar Gabriel: Insbesondere wegen des Umgangs mit seinen Generalsekretärinnen halten viele Genossen den SPD-Vorsitzenden nicht für teamfähig. Erst musste Andrea Nahles die Alleingänge ihres damaligen Chefs ertragen beziehungsweise ausbügeln, der aktuellen Generalsekretärin Fahimi ergeht es nicht viel besser. Dem Kabinett eines Kanzlers Gabriel anzugehören - es gäbe wohl angenehmere Aussichten aus Sicht vieler Sozialdemokraten.
Um es ins Kanzleramt zu schaffen, ist politische Erfahrung so wichtig wie kaum etwas anderes. Olaf Scholz hat sein Leben lang Politik gemacht: Bei den Jusos, im Bundestag, als Minister und schließlich Hamburger Regierungschef. Mehr politische Erfahrung hat kaum ein aktiver Sozialdemokrat - Sigmar Gabriel dürfte zu den wenigen gehören, die Scholz in dieser Hinsicht überlegen sind. Schon mit 40 Jahren war Gabriel niedersächsischer Ministerpräsident, später Bundesminister, inzwischen ist er Vizekanzler. Seit 2009 führt Gabriel die SPD an. Sein oft ironischer Blick auf den politischen Betrieb rührt wohl auch daher, dass er ihn so gut kennt wie kaum einer.
Olaf Scholz und Sigmar Gabriel sind beide nicht die Sorte Politiker, die bei "Gala" oder "Bunte" die Seiten füllen. Aber während der SPD-Chef in den vergangenen Jahren das Türchen zu seinem Privatleben mit Zahnarzt-Gattin und Töchterchen dann doch ab und an einen Spalt geöffnet hat, bleibt das Privatleben von Scholz verborgen. Viel Zeit wird er dafür ohnehin nicht haben, seine Ehefrau Britta Ernst ist Bildungsministerin der Landesregierung von Schleswig-Holstein.
Dabei scheint selbst Angela Merkel im vergangenen Wahlkampf erkannt zu haben, wie wichtig es ist, ein bisschen Privates preiszugeben: Mal erzählte sie davon, dass ihr Mann sich immer über zu wenig Streusel auf dem Kuchen beschwere, oder es tauchten plötzlich Familien-Fotos vom Italien-Urlaub auf.
Wer die SPD 2017 in den Bundestagswahlkampf führt, ist eigentlich ohnehin eher zu bemitleiden - falls Merkel erneut antritt, was als wahrscheinlich gilt: Die Beliebtheitswerte der CDU-Chefin sind stabil hoch, ihre Partei liegt seit zweieinhalb Jahren bei Werten um die 40 Prozent, während es die SPD einfach nicht aus dem 25-Prozent-Tal heraus schafft. Dass sich dies ändert, ist nicht unmöglich, aber schwer vorstellbar.
Ob Olaf Scholz sich unter diesen Umständen die Kanzlerkandidatur wirklich antun will? Zumal er, als eine Art männlicher Angela Merkel sich im Wahlkampf eher noch schwerer tun würde als Sigmar Gabriel. Der könnte als kämpferischer Kanzlerkandidat die sozialdemokratischen Wähler wohl noch am ehesten mobilisieren. Hier nochmal ein satirischer Blick auf Gabriel:
Gut möglich, dass Scholz deshalb in Hamburg bleibt. Fürs erste: 2021 wäre er 63 - also im besten Kanzleralter.
0 commentaires:
Enregistrer un commentaire