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Die Verhandlungen über ein Abkommen im Atomstreit mit Iran finden durchaus nicht nur in der Schweiz statt. Ob es einen finalen Deal gibt, das hängt insbesondere auch von den Verhältnissen in Teheran und Washington ab.
- Wird Irans Chef-Islamist Ali Khamenei seinem moderateren Präsidenten Hassan Rohani freie Hand für ein Abkommen lassen?
- Wird der US-Kongress mit seinen republikanischen Mehrheiten und kritischen Demokraten die von der US-Regierung erzielten Verhandlungsergebnisse letztlich akzeptieren?
Während sich der Machtkampf in Teheran einer theokratischen Diktatur gemäß im Verborgenen abspielt, haben in Washington Parlament und Regierung in den vergangenen Tagen öffentlich miteinander gerungen. Nun deutet sich ein Kompromiss an, der Präsident Barack Obama einerseits Spielraum für die Verhandlungen in der Schweiz lässt, ihn aber zugleich in seiner Amtsführung einschränkt.
Seinen vorläufigen Höhepunkt hat dieses politische Geschäft an diesem Dienstag gefunden, als der Auswärtige Ausschuss des Senats sich einstimmig auf eine Gesetzesvorlage einigte (offiziell: Iran Nuclear Review Act), die dem Kongress Mitspracherecht über den endgültigen Deal mit Iran einräumen soll. Ein Mitspracherecht, das Obama eigentlich verhindern wollte.
Der von Republikanern und Demokraten erarbeitete Kompromiss sieht so aus:
- Wenn Ende Juni ein Abkommen mit Iran erreicht sein sollte, hat der Kongress das Recht, diesen Deal 30 Tage lang zu prüfen
- Während dieses Zeitraums darf Obama die einst vom US-Parlament erlassenen Sanktionen gegen Iran nicht aussetzen. Nach Ende der Frist entscheidet der Kongress über Suspendierung oder Fortbestand der Sanktionen.
- Diese Gesetzesvorlage wird voraussichtlich noch in diesem Monat vom Senat beschlossen werden. Obamas Sprecher Josh Earnest ließ durchblicken, dass der Präsident sein Veto-Recht in diesem Falle nicht nutzen werde.
Warum lässt sich der Präsident auf diesen Handel ein?
Weil eine gemeinsame Front von Republikanern und Demokraten drohte, die das komplette Abkommen mit Iran hätte gefährden können. Es geht hier immerhin um ein zentrales außenpolitisches Vermächtnis Obamas. Der erste Entwurf des Nuclear Review Act zielte unter anderem noch auf eine längere, 60-tägige Prüffrist ab; vor allem aber forderten die Republikaner für das Parlament das Recht ein, bindend über den Atom-Deal an sich zu entscheiden - und nicht nur mit Blick auf Sanktionen.
Das Weiße Haus hat das stets entschieden zurückgewiesen, beharrt auf seiner außenpolitischen Entscheidungsmacht. Der US-Präsident darf schließlich durchaus ohne die Zustimmung des Parlaments sogenannte Executive Agreements mit anderen Staaten schließen; mehr als 10.000 solcher Vereinbarungen sind seit dem Zweiten Weltkrieg von Obama und seinen Vorgängern geschlossen worden. Sie gelten als völkerrechtlich bindend.
Gäbe Obama an diesem Punkt nach, würde er so die Machtbalance verschieben, auch zum Schaden seiner Nachfolger. Einer Art Nebenaußenpolitik des Parlaments wären Tür und Tor geöffnet. Es ging hier also auch ums Prinzip.
Um das zu wahren, hat Obama einen eher symbolischen Rückzug in Kauf genommen. Denn natürlich muss der Kongress ohnehin irgendwann grundsätzlich über die Sanktionen entscheiden. Was einst das Parlament erlassen hat, das kann auch nur das Parlament wieder aufheben. Obamas Plan aber war es offenbar, die Sanktionen für eine erste Phase eigenmächtig zu suspendieren und derweil zu prüfen, ob sich Iran an seine Vereinbarungen hält. Nun benötigt er wohl auch für dieses zwischenzeitliche Aussetzen der Sanktionen grünes Licht vom Kongress.
Was aber geschieht, wenn der Kongress die Sanktionen aufrecht erhält? Wäre Obamas Atom-Deal dann gescheitert, weil er seinen Teil der Abmachung mit Iran nicht liefern könnte?
Keineswegs. Denn Obama kann ja noch sein Veto-Recht gegen einen solchen Kongressbeschluss einsetzen. Um den Präsidenten dann wiederum zu überstimmen, braucht es eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kongresskammern. Im Umkehrschluss heißt das: Es ist reichlich unwahrscheinlich, dass sich nicht wenigstens knapp über ein Drittel der Abgeordneten und Senatoren zu einem von Obama erfolgreich verhandelten Atom-Abkommen bekennen würden.
Zusammengefasst: Obama ringt mit dem heimischen Kongress um einen Kompromiss zu Irans Atomprogramm. Nun hat er sich auf einen Deal eingelassen: Das Parlament darf das Abkommen mit Teheran prüfen und über eine Aufhebung der Sanktionen entscheiden. Ursprünglich wollte der Kongress über den kompletten Deal mitbestimmen. Das musste Obama abwenden.
Im Video: Wie sich die Weltgemeinschaft mit Iran auf ein Rahmenabkommen einigte
Der Atomkonflikt mit Iran im Überblick:
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Sebastian Fischer ist seit August 2011 USA-Korrespondent von SPIEGEL ONLINE in Washington.
E-Mail: Sebastian_Fischer@spiegel.de
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