dimanche 26 avril 2015

Kanzleramt und US-Spionage: Wer will schon wissen, wer was wusste?

Die Große Koalition aus Union und SPD hat es sich in der Regierung recht behaglich eingerichtet. Jeder übernimmt seinen Part, fast geräuschlos funktioniert die Partnerschaft seit ihrem Beginn vor zwei Jahren. Selbst ein so heikles Thema wie das der Spionagetätigkeit des US-Geheimdienstes NSA, noch vor einem Jahr im Zentrum der Aufregung, war abgehakt. Es schien nur noch ein Thema für den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags und ein paar Spezialisten unter Journalisten zu sein. Das könnte sich ändern. Die Indizien, dass die NSA ein Kooperationsabkommen mit dem für die Auslandsspionage zuständigen Bundesnachrichtendienst (BND) missbrauchen und sich so Einblick in deutsche Firmen verschaffen wollte, weckt manchen Koalitionär auf. CSU-Chef Horst Seehofer fordert Aufklärung, was allein im Interesse des von ihm regierten Freistaats sinnvoll ist, schließlich dürfte ein Teil jener sensiblen Daten, um die es da gehen könnte, aus Hochtechnologiefirmen in Bayern stammen. Den Eifer des bayerischen Ministerpräsidenten mag dabei die Tatsache befördern, dass noch nie ein Minister von der CSU das Kanzleramt geleitet hat.

Auch ein Teil der SPD-Fraktion und die Generalsekretärin wollen etwas genauer wissen, was das Kanzleramt wusste und was es als Fachaufsicht der deutschen Bundes-Geheimdienste eigentlich unternahm. Und so, und das ist die Überraschung dieses Frühjahrs, könnte es in der harmonischen Großen Koalition doch noch einmal munter werden. Denn die neuesten Informationen über die Tiefe der Zusammenarbeit zwischen BND und NSA provozieren Fragen, die ins Herz der Regierung reichen - ins Kanzleramt. Und da wird es brisant. Doch wie weit reicht der plötzliche Aufklärungswille wirklich?

Niemand sollte sich da viel erwarten. Schließlich waren wichtige Akteure beider großen Parteien - CDU und SPD - in der Vergangenheit mit den Geheimdiensten befasst. In der Gestalt der dafür zuständigen Kanzleramtschefs kommt da eine illustre Ahnengalerie zusammen: Der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) diente in dieser Position unter Kanzler Gerhard Schröder, für Angela Merkel in wechselnden Koalitionen der jetzige Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der heutige Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn, Ronald Pofalla, und aktuell Peter Altmaier - letztere drei übrigens auch Vertraute der Kanzlerin.

Diese Personalabfolge macht es unwahrscheinlich, dass CDU und SPD alsbald allzu hell ins Dunkel der Geheimdienstkontrolle leuchten werden: Bringen die Sozialdemokraten die vormaligen Chefs und den derzeitigen Leiter des Kanzleramts zu sehr in die Bredouille, könnte sich die Union wiederum Steinmeiers einstige Rolle vornehmen - und sei es nur aus Rache für die unbequemen Fragen des Koalitionspartners.

Das bisher so kuschelige Klima in der Großen Koalition wäre vergiftet, umso mehr, als konsequente Nachfragen irgendwann zwangsläufig bei der Hausherrin enden müssten: Was wusste eigentlich die Bundeskanzlerin Angela Merkel von der eigentümlichen Amtshilfe für die US-Spione?

Auf die Antwort darauf werden wir wohl lange warten müssen. Erst in zwei Jahren wird wieder gewählt - und bis dahin wird keiner der Koalitions-Spitzenakteure eine allzu umtriebige Aufklärungsarbeit wünschen.

Zum Autor

Jeannette Corbeau

Severin Weiland, Jahrgang 1963, ist Politikredakteur und Politischer Korrespondent im Berliner Büro von SPIEGEL ONLINE.

E-Mail: Severin_Weiland@spiegel.de

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