dimanche 19 avril 2015

Von der Leyen und das G36: Besserministerin in Nöten

Immerhin, die Peschmerga finden das G36 super, sie hätten gerne mehr davon. Vielleicht kann dem Wunsch der kurdischen Kämpfer bald entsprochen werden. Denn wenn die Bundeswehr ihr bisheriges Standardgewehr wirklich austauscht, dann hätte sie womöglich einige Zehntausend zu verschenken. Mängelexemplare zwar aus deutscher Sicht, aber solange die Kurden sagen: "Funktioniert einwandfrei." Für Ursula von der Leyen wäre die mögliche Anschlussverwendung ein schwacher Trost. Der Ärger um das G36 bringt die Verteidigungsministerin inzwischen in arge Bedrängnis. Die Entzauberung der selbst ernannten Chefaufklärerin hat begonnen.

Stets forsch und entschlossen - diesmal aber nicht


Die CDU-Politikerin hatte ihren Job vor anderthalb Jahren mit hohem Anspruch angetreten: Schluss mit dem Mief in den Kasernen. Schluss mit Waffengeschäften, die immer teurer werden und sich immer weiter hinziehen. Schluss mit organisierter Verantwortungslosigkeit und Reformresistenz im Apparat. Von der Leyen will die Bundeswehr attraktiver machen, sie will das Rüstungswesen transparenter machen, die eingefahrenen Strukturen in der Truppe und ihrer Behörde durchlüften, offen ansprechen, wenn im Haus etwas schief läuft.


Kurz: Sie will alles besser machen als ihre Vorgänger. Und wenn sie damit ihren Parteifreund und Kabinettskollegen Thomas de Maizière diskreditiert - sei's drum. Von der Leyen hat sich noch nie um die Sympathien in den eigenen Reihen geschert, wenn es um die eigene Profilschärfung geht.


Doch in der Affäre um das ungenaue Sturmgewehr könnte von der Leyen nun an ihren eigenen Ansprüchen scheitern. Es zeigt sich: So forsch und entschlossen, wie sich die Ministerin bei all ihren Reformbemühungen gibt, scheint sie beim G36 nicht immer vorgegangen zu sein. Was zuallererst daran gelegen haben mag, dass von der Leyen das Problem-Thema gar nicht in seinem vollen Ausmaß als solches identifiziert hatte - trotz aller Ambitionen, im Beschaffungswesen aufzuräumen. Das ist peinlich, ist das Gewehr doch der tägliche Einsatzbegleiter der Soldaten und schon seit Jahren - öffentlich - in der Diskussion.


Noch im Mai 2014 aber wurden offenbar Tausende neue Gewehre angeschafft. Von der Leyen persönlich erklärte dem Haushaltsausschuss im gleichen Monat, es gebe keine neuen Erkenntnisse zur Funktionsfähigkeit der Waffe. Kurz darauf bezeichnete ihr Staatssekretär das G36 im Bundestag "grundsätzlich als zuverlässiges Sturmgewehr".


Zu dieser Zeit aber war von der Leyen längst ein Berichtsentwurf des Bundesrechnungshofs ins Haus geflattert. Darin wurden nicht nur die Defizite des G36 beklagt. Die Prüfer warfen dem Ministerium auch vor, nichts dagegen zu tun. Das Amt für Heeresentwicklung soll zudem schon im März 2014 eine Initiative zur Verbesserung zur des G36 gestartet haben. Die habe die Ministerin aber nie erreicht, heißt es.

Und wenn ein Soldat wegen des Gewehrs stirbt?


Von der Leyens hektische Aufklärungsoffensive soll nun wohl auch eigene Versäumnisse vergessen machen. Eine Prüfung gab es schon, zwei Kommissionen werden die Misere noch einmal untersuchen, es wird über Ersatzgewehre diskutiert, Schadensersatzforderungen an Heckler & Koch stehen im Raum. Dass sich der Hersteller wütend gegen angeblichen Rufmord wehrt, kann von der Leyen sogar freuen. Rüstungskonzerne genießen in der Öffentlichkeit bekanntlich keinen besonders guten Ruf.


Das aber kann die Gefahr nicht aufwiegen, die die Affäre für die Ministerin birgt. Man stelle sich nur einmal vor, ein deutscher Soldat stirbt im Gefecht, weil sein Gewehr versagt. Und auch ohne tödliche Konsequenz, den Makel eines Rüstungsskandals würde von der Leyen so schnell nicht wieder los. Das mag sie nicht das Amt kosten, könnte aber bei weiteren Karriereplänen hinderlich sein.



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Jeannette Corbeau



Philipp Wittrock ist Redakteur bei SPIEGEL ONLINE im Ressort Politik.

E-Mail: Philipp_Wittrock@spiegel.de


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