lundi 13 avril 2015

Merkel im Bürgerdialog: "Ich hoffe, dass ich das wirkliche Leben sehe"


Angela Merkels größte Sorge ist die Zeit. Bei Veranstaltungen passiere ihr immer das gleiche. "Die ersten zehn Minuten fragt kaum jemand, die nächsten zehn Minuten sind wieder schleppend. Aber zum Schluss, kurz bevor ich gehe, geht's los! Dann wollen plötzlich alle etwas wissen".


Der Bürger an sich, stellt Merkel mit dieser Geschichte fest, tickt nun einmal anders als der strenge Terminplan der Spitzenpolitik. Wahlvolk und Politik sind gewissermaßen selten synchron. Mit diesem Prinzip will Merkel brechen. Sie will, dass sich Volk und Politik wieder annähern. Zumindest ein bisschen.

Und so startet das Kanzleramt in diesem Jahr die nächste große Bürgerversteher-Initiative. "Gut leben in Deutschland - Was uns wichtig ist" ist das neue Motto der Bundesregierung. Im Frühjahr und Sommer lässt sie Menschen in einer Art Mega-Feldstudie nach ihren Wünschen befragen.


Am Montag eröffnete Merkel diesen Bürgerdialog gemeinsam mit SPD-Chef Sigmar Gabriel. Im Berliner Gasometer, wo sonst Günther Jauch zum Talk lädt, warben beide um reichlich Beteiligung - damit die Politik bald klären könne: Was genau bedeutet es für die Menschen, gut zu leben? Was will der Durchschnittsbürger im Detail?


Gabriel und seine Mädels


Die Ruckeleien im schwarz-roten Bündnis sind für eine Stunde demonstrativ vergessen, Gabriel und Merkel lächeln sich viel an. Und sie werden persönlich. Was Gabriel wichtig sei im Leben? "Meine Töchter, meine Familie", sagt er, eben "meine Mädels, das wird auch so bleiben."


 Gabriel, Merkel im Berliner Gasometer: Seite an Seite den Bürgerwillen erforschen Zur Großansicht

DPA


Gabriel, Merkel im Berliner Gasometer: Seite an Seite den Bürgerwillen erforschen




Und die Kanzlerin, die noch ein paar Stunden zuvor auf der Hannover-Messe Roboterarme schüttelte und eine bionische Ameise bewunderte, spricht über die künstliche Distanz, die das Amt so mit sich bringe. "Ich hoffe immer noch, dass ich das wirkliche Leben sehe", sagt Merkel.

Als ein Schülervertreter im Jackett sagt, seine Mutter hätte ihm verboten, in Jeans und T-Shirt zu erscheinen, betont die Kanzlerin: Sie hätte nichts gegen die legere Kleidung gehabt. Das gibt Sympathiepunkte.


Auch Gabriel probiert es mit Authentizität. "Wir alle in den Parteien haben schon mal Dinge versprochen, von denen wir in dem Augenblick wussten: das wird wohl nichts." Das gibt Ehrlichkeitspunkte.


Kein Reinspringen ins Bürgerbad


Ansonsten ist die Veranstaltung, die im Wesentlichen aus Podium und Stehempfang besteht, wenig spontan. Sich den Menschen öffnen, reinspringen ins Bürgerbad, darunter stellt man sich etwas anderes vor.


Doch der Termin in Berlin soll ja auch nur der Auftakt sein. Folgen sollen bundesweit rund 150 Diskussionen, koordiniert von Volkshochschulen, Verbänden, Stiftungen, Organisationen oder Gewerkschaften, später begleitet durch Bundesministerien und Kanzlerin. Parallel werden im Internet Ideen und Anregungen gesammelt. Dann sollen Wissenschaftler, Statistiker und andere Experten die Ergebnisse auswerten.


Und was genau soll daraus folgen? "Wir kennen die Antwort nicht. Und wir geben uns sogar Mühe, nicht zu glauben, dass wir sie kennen. Wir sind neugierig", sagt Merkel, Gabriel spricht von einem Experiment. Nur eines scheint festzustehen, "Maßstäbe für konkretes Handeln" soll das Bürger-Feedback geben, "nicht durch die Parteibrille gefärbt", sagt die Kanzlerin. Einige Wünsche könne man wohl noch in dieser Legislaturperiode umsetzen, andere "als Anregung" in den nächsten Wahlkampf führen.


Nah beieinander, nah bei den Leuten: Merkel und Gabriel versuchen den BürgerdialogZur Großansicht

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Nah beieinander, nah bei den Leuten: Merkel und Gabriel versuchen den Bürgerdialog




Teile der Aktion kommen einem bekannt vor, tatsächlich ist sie eine Fortführung von Merkels "Zukunftsdialog" von 2012. Damals ließ Merkel per Internetvoting über populäre Bürgerbelange abstimmen und zog in Townhall Meetings durch die Republik. Damals saß die SPD noch in der Opposition - und schmähte die Aktion als Verschwendung von Steuergeldern.

Jetzt findet SPD-Mann Gabriel den Dialog sinnvoll. "Die Menschen sind viel skeptischer geworden", sagt Gabriel über das Verhältnis der Bundesbürger zur Politik.


Damit bringt er auf den Punkt, warum sich die Regierung neuerdings so offensiv um Bürgerwünsche bemüht, etwa über einen geschickt gemachten Facebook-Auftritt. All das ist angesichts alternder Parteien und sinkender Wahlbeteiligung auch bitter nötig.

Die neue Gesprächsreihe ist ein Versuch, dessen Erfolg davon abhängen wird, ob tatsächlich neue Stimmen zu Wort kommen - oder ob die üblichen Interessenvertretungen ihre Belange noch einmal bekräftigen können.


Zumindest Gabriel verspricht, dass man nicht nur PR machen, sondern auch echtes Bemühen zeigen wolle: "Wir sind besser als unser Ruf".






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