mercredi 15 avril 2015

Vorratsdatenspeicherung: SPD erfüllt Union ihren Herzenswunsch


Es ist keine fünf Monate her, da wollte SPD-Justizminister Heiko Maas von einer staatlich verordneten Datensammlung nichts wissen. Für das Massenspeichern auf Vorrat und ohne Anlass werde es "kein deutsches Gesetz geben", sagte er im Dezember. Das war vor den Anschlägen von Paris und vor der anschließenden Sicherheitsdebatte.


Jetzt ist alles anders. Nach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte auch SPD-Chef Sigmar Gabriel Druck gemacht - und plötzlich muss Heiko Maas ein geplantes Gesetz anpreisen, das er so nie wollte. Am Mittwoch stellte er Details seiner ziemlich aufwändigen Reform vor. Man bewege sich auf einem "schmalen Grat", räumte er ein. Schließlich hatten mehrere Gerichte frühere Pläne stets kassiert.

Diesmal soll es klappen. Wahrscheinlich bekommt Deutschland noch im Herbst ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung.




Das ist geplant - und diese Probleme sind ungelöst:

1. Das sollen die Unternehmen leisten: Künftig sollen Telekommunikationsanbieter die Festnetz- und Mobilverbindungen ihrer Kunden aufbewahren - auf einem Server im Inland. Dazu gehören auch Daten über Skype-Telefonate sowie IP-Adressen. Sie dürfen sie maximal zehn Wochen speichern, sonst droht eine Geldbuße.


Aber: Viele Provider müssen eine neue Infrastruktur schaffen, das ist teuer. Größtenteils sollen die Unternehmen die Kosten tragen, nur kleinere betroffene Firmen werden womöglich entschädigt.


2. Um diese Daten geht es: Nicht Inhalte werden gespeichert, sondern Rufnummern, Zeitpunkt, Dauer von Telefonaten. Bei Handy-Gesprächen wird der Aufenthaltsort der Person erfasst. Solche Standortdaten dürfen maximal vier Wochen aufbewahrt werden. E-Mails und aufgerufene Internetseiten sollen nicht gespeichert werden.


Aber: Keinen Zugriff hat man auf populäre Messenger-Dienste wie Facebook-Chat und WhatsApp, die Daten lagern größtenteils im Ausland. Wie will man sicherstellen, dass Kriminelle nicht gezielt darauf ausweichen? "Es gibt immer Wege, bestimmte Kommunikation zu umgehen", räumt Maas ein.


3. Das soll mit den Daten passieren: Sicherheitsbehörden können sie zur Aufklärung schwerer Straftaten anfordern. Etwa bei Verdacht auf Terrorplanung, Kinderpornografie, sexuellen Missbrauch, Mord oder Menschenhandel (eine vollständige Liste finden Sie hier). Aber nur, wenn ein Richter es erlaubt. Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile sollen nicht erstellt werden dürfen. Daten von Ärzten, Anwälten, Abgeordneten, Seelsorgern, Journalisten sollen zwar gespeichert - aber nicht abgerufen werden dürfen.


Aber: Es dürfte sehr kompliziert werden, die Regeln einzuhalten. So heißt es, betroffene Personen würden von einem Datenzugriff "zeitnah informiert". Wie das vonstattengehen soll, ist offen. Auch sind Berufsgeheimnisträger wie Ärzte und andere nur schwer zu identifizieren - einer Telefonnummer sieht man nicht an, welchen Job der Besitzer ausübt.




Die Vorgaben, nach denen persönliche Daten künftig gespeichert und ausgewertet werden sollen, sind durchaus streng. Zugleich ist die Tür für eine großflächige Vorratsdatenspeicherung offen wie nie. Der tatsächliche Nutzen ist ungewiss, das Risiko des Missbrauchs ist da. Das bringt Gegner des Instruments in Rage. Die FDP droht mit dem Gang nach Karlsruhe, die Opposition spricht von Rechtsbruch.


Doch weil schwarz-rote Einigkeit besteht, sind die Möglichkeiten des Widerstands begrenzt. In der Union gibt man sich selbstsicher: "Das Ergebnis kann sich sehen lassen", lobte Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Ähnlich sehen das Ermittlungsbehörden, die bald aus einem riesigen Datenpool schöpfen könnten. "Ein glorreicher Tag für die innere Sicherheit", sagte Andy Neumann, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter im Bundeskriminalamt (BKA), SPIEGEL ONLINE.


Maas versuchte den Eindruck zu zerstreuen, die SPD sei vollends auf Unionslinie eingeschwenkt. So hatte die CSU gefordert, aus dem Bereich der Geistlichen - die unter die Geheimnisträger-Regelung fallen - Imame auszuklammern. "Das wäre schlichtweg verfassungswidrig", widersprach Maas.


"Alles tun, um das Gesetz noch aufzuhalten"


Nicht ausgeschlossen ist, dass die Union im parlamentarischen Verfahren noch ein paar Interessen ins Gesetz verhandeln will. Und auch in der SPD geht die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung von vorne los: Im Juni steht der nächste Parteikonvent an. Geht es nach den Kritikern, soll das Instrument dann wieder kassiert werden.


"Die Leitlinien sind keineswegs ein Balanceakt zwischen Sicherheit und Freiheit. In dieser Frage gibt es keinen Kompromiss", sagt Juso-Chefin Johanna Uekermann. "Wir werden alles tun, um das Gesetz noch aufzuhalten." Tatsächlich dürften die Jusos und andere Teile der SPD-Linken versuchen, aus dem Parteikonvent eine entscheidende Schlacht über die Vorratsdatenspeicherung zu machen.


Dass sie sich durchsetzen, ist unwahrscheinlich. Zum einen würde die Partei ihren Vorsitzenden beschädigen, wenn sie sich seinem erklärten Wunsch widersetzte. Zum anderen orientiert sich der Maas-Katalog eng an einem SPD-Parteitagsbeschluss von 2011.

Gabriel gibt sich entsprechend gelassen. Ein Parteitagsbeschluss, so sein Argument, ist stärker als das Votum auf einem Konvent. So müssten die Kritiker versuchen, auf dem Bundesparteitag im Dezember einen neuen Beschluss herbei zu führen. Dort aber stellt sich Gabriel zur Wiederwahl. Hier müsste sich erst recht jeder fragen, ob er wegen der Vorratsdatenspeicherung den Chef massiv lädieren möchte?


Nicht zuletzt läuft die Zeit gegen die Gegner: Bis Dezember dürfte der Bundestag das Gesetz längst abgesegnet haben.






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