Vom Krawatten-Job am Schreibtisch zum Schausteller unter freiem Himmel: Der Luxemburger Jos Pierucci hat vor zehn Jahren diesen Schritt gewagt. An seinem Arbeitsplatz riecht es nach Pommes und Zuckerwatte, nebenan rumpeln Autoscooter. Mit seiner Familie leitet Pierucci drei Kirmesgeschäfte und zieht sieben Monate von einer Kirmes zur nächsten. Mit der «Petit Bar Rond» steht der 57-Jährige derzeit in Esch und versorgt die Mägen hungriger Kirmesgänger mit herzhafter Kost.
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Pommes, Kotelett mit Sauerkraut, Mettwurst, Merguez, Thüringer Grillwurst oder Hamburger. Am beliebtesten sind aber die Gromperekichelscher. „Sie machen unheimlich viel Arbeit, vielleicht kaufen manche Kunden deswegen gleich zehn Portionen zum Mitnehmen und Einfrieren“. Oder weil sich rumgesprochen hat, dass die Gromperekichelscher hier hausgemacht sind. „Unsere Gromperekichelscher schmecken nicht besser, aber wir haben unsere Kunden, die nur wegen uns kommen“, sagt der Sohn italienischer Einwanderer stolz. Pierucci ist einer der wenigen Luxemburger, der sich hier mit einem Gastronomie-Betrieb behauptet. Die anderen Essensstände sind meist in französischer Hand.
Escher Kirmes verliert Besucher
Allerdings ist die Mittagszeit vorbei, die Kirmesbesucher interessieren sich vielmehr für das Kinderkarussell oder den Autoscooter. Ein junges Pärchen versucht sich an Schießständen, zwei Freundinnen lassen die Flipperkugeln hin- und herspringen, eine Gruppe Jugendliche bummelt unschlüssig durch die Gassen. Auf dem Place Victor Hugo könnte ein bisschen mehr los sein. Und die Ruhe vor dem Sturm ist es auch nicht.
Pierruci erinnert sich an andere Kirmes-Zeiten in Esch. «Als wir angefangen haben, waren die Straßen am Wochenende schwarz vor Leuten, heute sind wir froh, wenn am Samstag nach 22 Uhr noch jemand kommt.» Arbeitslosigkeit und knappe Kassen bekommt die Zunft der Schausteller wohl mit am stärksten zu spüren. Tatsächlich dreht das kleine Karussell mit nur zwei Kindern seine Runde. Immerhin kann die Familie von den drei Kirmesgeschäften leben: «Wir arbeiten viel und leben sparsam», sagt Pierucci. Mit insgesamt 21 Mitarbeitern – davon zwölf festangestellt – betreiben sie Gromperekichelscher-Produktion und drei Geschäfte im 3-Schicht-Betrieb. Mutter, Vater und Sohn teilen sich auf die Stände «Gros Bar Rond», «Petit Bar Rond» und «Kirmes Grill» auf.
Schausteller leben anders
Kirmes in Esch, Kirmes in der Hauptstadt, Kirmes in Differdingen. Doch Langeweile kommt bei den Pieruccis nicht auf: «Es sind immer andere Plätze, andere Kollegen, manche sieht man sich nur einmal im Jahr auf der Schueberfouer». Mit Blick auf ein lächelndes Kind mit seiner Zuckerwatte sagt Pierucci: «Wir sind da, um Spaß zu geben. Wir versuchen, Freude ins normale Leben zu bringen». Im Hintergrund dudelt Karussellmusik. Allerdings kennt die Familie auch die Schattenseite des Schaustellerlebens: Die Leute kommen zur Kirmes, wenn schönes Wetter ist. Sonst sind die Gassen zwischen den Schaustellerständen leergefegt. «Der Beruf bietet keine Sicherheit und wenn schlechtes Wetter ist, arbeiten wir nicht und verdienen wir nichts.»
Doch der Unsicherheit zum Trotz – Pierruci hat an diesem Beruf einen Narren gefressen. «Es ist ein anderes Leben.» Vorher hatte er als regionaler Direktor eines Lebensmittelkonzerns einen Schreibtisch-Job. Davor besaß er zwei Restaurants. «Italienisch, natürlich.» Das sei eine tolle Zeit gewesen, aber Familienleben gab es bei Arbeitszeiten von 9 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts nicht viel. Dafür steckt die Familie nun unter einer Kirmesdecke. Sohn Damien wird den Betrieb übernehmen, die Frau des Hauses half vor sieben Jahren aus, kehrte zurück zur Arbeit – und hängte ihren Job als Bankerin direkt an den Nagel. «Man gestaltet seinen Tag ziemlich frei und man ist immer draußen“, sagt Jos Pierucci. Auf Jahrmärkten in Metz oder Saarbrücken wird man die Pieruccis aber nicht finden. «Wir haben hier genug.“
(Sophia Schülke/L'essentiel)
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