dimanche 8 mars 2015

Kommentar zur Gehaltsgleichheit: Kein Gesetz ändert den Unterschied


Wenn es einmal allzu still wird beim abendlichen Treff unter Freunden, dann ist da immer noch das Thema "Mann und Frau". Geht es noch dazu ums liebe Geld und die Frage, wer hat mehr als der oder die andere, dann wird es richtig turbulent. Die große Koalition steht an der Schwelle zu einer solchen Auseinandersetzung, die SPD will ein Gesetz zur "Entgeltgleichheit", die Union will es in Wahrheit nicht.


Die Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau belaufen sich rein rechnerisch auf um die 20 Prozent. Bei nüchterner Betrachtung schrumpft sie auf um die sieben Prozent - was in jedem Einzelfall immer noch Skandal genug ist. Keine Frage.

Die tiefer liegenden, eigentlichen Gründe für die ungleiche Durchschnitts-Entlohnung wird das Gesetz aber nicht berühren. Es sind Fragen von tradierten Rollenbildern, die zu einer bestimmten Berufswahl führen; es sind althergebrachte Aufgabenteilungen, wonach 70 Prozent der Mütter in Teilzeit gehen, wenn ein Kind da ist, aber nur sechs Prozent der Väter. Es sind Eigenschaften, die - aus welchen Gründen auch immer - Frauen zurückhaltender in ihren Gehaltsverhandlungen auftreten lassen als Männer. Es sind Tarifverträge, die den Geist der Fünfzigerjahre atmen, als Arbeit überwiegend körperliche Arbeit war, also vermeintlich "Männersache".


Gehälter sind Privatsache


Das alles kann man mit guten Gründen als vormodern beklagen und auf jeder Ebene dafür eintreten, dass sich die Verhältnisse zum Besseren verändern. Nur eines kann man nicht, wie die Erfahrungen in Schweden und Österreich zeigen: Das Problem per Gesetz aus der Welt schaffen. Was die zuständige Ministerin Schwesig vorhat, ist deshalb nur die Behauptung von Politik, mithin das Gegenteil dessen, was Politik sein soll: etwas, das die herrschenden Verhältnisse ändert.

Zugleich müssen Gesetze einen messbaren Nutzen für so viele bringen, dass erwartbare Nachteile anderer zu Recht hintanstehen. Auch das scheint nicht der Fall zu sein, ganz unberechtigt sind die Warnungen der Firmen nämlich nicht. Werden auch kleinere von ihnen mit dem bislang nur in Umrissen bekannten Vorhaben überzogen, könnten unverhältnismäßig hohe, bürokratische Pflichten entstehen, eine Vielzahl von Tarifverträgen wackeln und sich einiger Unfrieden unter den Mitarbeitern breit machen. In einer Gesellschaft, die ist, wie die deutsche ist, sind Gehälter Privatsache, sorgsam gehütet vor notorisch neidischen Blicken.


Nein, der Druck, die Missstände abzustellen, muss von anderer Stelle kommen: aus der Gesellschaft, aus den Chefetagen der Unternehmen selbst, manche tun es bereits mit Erfolg - vor allem aber vom Einzelnen. Der nahende Fachkräftemangel gibt Frauen (wie Männern) die Chance, sich die Arbeitgeber auszusuchen, die sie fair behandeln und für wirklich identische Leistung gleichen Lohn zahlen. Der Mut zur Abstimmung mit den Füßen würde wirken. Viel stärker und schneller als ein Gesetz, über das man nur schön streiten kann.



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Gleiches Gehalt und mehr Transparenz

Was halten Sie von der Idee, per Gesetz mehr Transparenz bei Gehältern zu schaffen?




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Nikolaus Blome studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Politik in Bonn und Paris. Seit Oktober 2013 ist er Mitglied der Chefredaktion und Leiter des Hauptstadtbüros von SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE.

E-Mail: Nikolaus_Blome@spiegel.de


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Zuletzt war an dieser Stelle SPIEGEL ONLINE-Redakteurin Annett Meiritz in ihrem Kommentarfür ein Gesetz zur Gehaltstransparenz eingetreten.


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