Berlin - Diese Ansage war deutlich: SPD-Parteichef Sigmar Gabriel verteidigte am Wochenende ausdrücklich die Vorratsdatenspeicherung. "Ich bin der Überzeugung, wir brauchen das", sagte er im Deutschlandfunk. Die Bundesregierung feilt an einem Gesetz zur Einführung des umstrittenen Instruments. Lange hatte man auf eine EU-Richtlinie gewartet, nun könnte Deutschland vorpreschen.
Ein mögliches Gesetz ist hochumstritten: Die einen sagen, das Aufbewahren von Telefonverbindungs- oder Internetdaten sei unverzichtbar in Terrorabwehr und Strafverfolgung. Die anderen warnen vor standardmäßiger Massenüberwachung. Besonders in der SPD kocht die Debatte hoch. SPD-Innenminister freuen sich, Netzpolitiker ächzen.
Jetzt stellt sich auch der SPD-Nachwuchs gegen die Parteispitze. Im Interview übt die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann scharfe Kritik an Gabriel. Sie sagt: "Niemand braucht die Vorratsdatenspeicherung."
Zur Person Johanna Uekermann
DPA
Johanna Uekermann ist Politikwissenschaftlerin, 2013 wurde sie zur Bundesvorsitzenden der Jusos gewählt. Die 27-Jährige steht für die traditionell linke Linie der SPD-Jugendorganisation. Die SPD müsse jünger werden, die Jusos weiblicher, wünscht sich Uekermann.
SPIEGEL ONLINE: SPD-Chef Sigmar Gabriel drängt auf die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Wie finden Sie das?
Uekermann: Es ärgert mich maßlos, dass Sigmar Gabriel nicht von dieser Idee ablässt. Eine ganze Fachwelt ist dagegen, trotzdem reiht er sich ein in die Riege der Law-and-Order-Politiker. Wir brauchen keinen nationalen Alleingang Deutschlands, und wir brauchen keinen Alleingang von Sigmar Gabriel in dieser Frage. Die Vorratsdatenspeicherung hat sich nicht bewährt. Sie sorgt nicht für mehr Sicherheit, sondern für einen Verlust von Freiheit. In Frankreich konnten Terroranschläge trotz einer Vorratsdatenspeicherung nicht verhindert werden. Sie ist ein unsinniger Eingriff in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger.
SPIEGEL ONLINE: Was macht Sie so sicher, dass Gabriel in der SPD weitgehend allein mit seiner Meinung steht? Schließlich gibt es einen Parteitagsbeschluss von 2011, der das Instrument grundsätzlich begrüßt. Viele SPD-Innenminister sind ebenfalls dafür.
Uekermann: Erstens fiel das Votum sehr knapp aus. Zweitens ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Der NSA-Skandal hat viele Bürger für den Umgang mit ihren privaten Daten sensibilisiert. Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof haben die Vorratsdatenspeicherung kassiert. Ich bin mir sicher, dass sich die Stimmung in der SPD gedreht hat. Wir haben mit dem Programm "Digital Leben" eine große Debatte über die digitale Zukunft gestartet. Hier finden sich schon jetzt viele Netzexperten und junge Leute, die der Meinung sind: Niemand braucht die Vorratsdatenspeicherung. Ich wünsche mir, dass Sigmar Gabriel endlich auf den hauseigenen Sachverstand hört.
SPIEGEL ONLINE: Die Bundesminister Heiko Maas (SPD) und Thomas de Maizière (CDU) sollen ein Gesetz für eine "kleine Vorratsdatenspeicherung" vorlegen - rechtskonform, unter strengen Auflagen und für einen kurzen Zeitraum. Was wäre daran so schlimm? Immerhin könnten die Daten bei der Aufklärung von Anschlägen und anderen Schwerverbrechen helfen.
Uekermann: Eine solche Lösung kann nicht gelingen. So ein Eingriff ist nur okay, wenn ein Richter grünes Licht gibt und wenn es einen konkreten Verdacht gibt. Wir reden hier von wenigen hundert Einzelfällen! Selbst bei einer "kleinen Lösung" müssten aber zunächst einmal die Daten von 82 Millionen Deutschen aufbewahrt werden - das können wir nicht ernsthaft wollen. In dieser Frage gibt es keinen Kompromiss. Der einzig sinnvolle Weg ist es, die Vorratsdatenspeicherung ein für alle Mal auszuschließen.
SPIEGEL ONLINE: Wahrscheinlicher ist es, dass Deutschland bald einen Gesetzentwurf zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung präsentiert.
Uekermann: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Ich rufe alle Parteimitglieder und Menschen außerhalb der SPD auf, sich an unserem "Digital Leben"-Programm zu beteiligen. Wir müssen zeigen, dass die Vorratsdatenspeicherung absolut unerwünscht ist. Außerdem glaube ich, dass die SPD nicht darum herumkommt, eine neue Entscheidung dazu zu fällen - etwa auf einem Parteitag oder Parteikonvent.
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