Zwei Mitglieder der verbotenen linken Gruppierung DHKP-C hatten den leitenden Staatsanwalt Mehmet Selim Kiraz gegen Mittag in ihre Gewalt gebracht. Nach Einbruch der Dunkelheit erschoss die Polizei die beiden Männer, nachdem Vermittler sechs Stunden lang mit ihnen verhandelt hatten.
Der brutale Mord an der jungen Özgecan
Wie der Polizeichef von Istanbul, Selami Altunok, am Abend mitteilte, überlebte die Geisel die Befreiungsaktion nicht: Staatsanwalt Mehmet Selim Kirazm sei bei dem Einsatz schwer verletzt und in ein Krankenhaus gebracht worden. «Er war schwer verletzt, als er eintraf, wir haben ihn trotz unserer Bemühungen verloren», sagten die Ärzte. Er war unter anderem von Kugeln am Kopf getroffen worden. Wer die Schüsse abgegeben hatte, blieb zunächst unklar.
Waffen gelangten dank Stromausfall ins Gericht
Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte laut der Nachrichtenagentur Anadolu, die Täter hätten sich als Anwälte ausgegeben und sich so Zutritt zu dem Justizgebäude verschafft.
Ihre Waffen konnten die beiden laut Medienberichten in das Gerichtsgebäude schmuggeln, weil die Metalldetektoren am Eingang aufgrund eines Stromausfalls nicht funktioniert hatte.
Die laufende Geiselnahme geriet schnell in den Fokus der Öffentlichkeit: Le Figaro hatte zunächst von Schüssen im Caglayan-Justizpalast auf der europäischen Seite der Stadt berichtet. Auf Twitter wurden wenig später – nicht verifizierte – Bilder verbreitet, auf welchen die Geiselnahme zu sehen sein soll (siehe Bildstrecke).
Staatsanwalt behandelte Tod von Berkin Elvan
Der Hintergrund der Tat: Staatsanwalt Kiraz hatte die Ermittlungen zum Tod des Teenagers Berkin Elvan geleitet. Der 15-Jährige Elvan war am 16. Juni 2013 während der sogenannten Gezi-Proteste von einer Tränengas-Petarde am Hinterkopf getroffen und schwer verletzt worden. Nach 269 Tagen im Koma starb der Junge am 11. März 2014.
Die Geiselnehmer forderten laut Hürriyet die Verurteilung der fehlbaren Polizisten. Diese sollten öffentlich ein Geständnis ablegen.
Vater appellierte an Geiselnehmer
Außerdem müssten Ermittlungen gegen Demonstranten, die wegen des Falles protestiert hatten, eingestellt werden. Sollten die Forderungen nicht erfüllt werden, werde der Staatsanwalt getötet. Berkin Elvans Vater appellierte an die Geiselnehmer, den Staatsanwalt freizulassen.
Die Gruppierung DHKP-C tritt für einen sozialistischen Staat ein. Die Gruppe wird von der Türkei, der EU und den USA als terroristische Vereinigung eingestuft. Sie war vor allem in den 1970er Jahren aktiv. Die Organisation bekennt sich zu verschiedenen Anschlägen, darunter den Selbstmordanschlag auf die US-Botschaft im Jahr 2013.
(L'essentiel/kmo/sda)
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