mercredi 11 mars 2015

Zentrale Frage - Können wir dem Iran vertrauen?


Je näher in den komplexen Atomgesprächen mit dem Iran der auf Ende März gesetzte Schlusstermin rückt, desto mehr macht sich Nervosität breit. Vergangene Woche hielt Israels Premierminister Benjamin Netanjahu im US-Kongress eine flammende Rede gegen den «sehr schlechten Deal». Diese Woche doppelten 47 republikanische Senatoren mit einem Brief an Teheran nach. Die iranische Regierung müsse wissen, dass jedes internationale Abkommen der Zustimmung des Kongresses bedürfe, wenn es längerfristig Bestand haben solle, warnten sie.


In Washington ist über die Iran-Frage ein Parteiengezänk ausgebrochen. Es verdeckt die Substanz des erwarteten Deals. Der sieht vor, dass der Iran nur eine maximale Zahl von mehreren tausend Zentrifugen zur Anreicherung von Uran betreiben darf. Der mindestens zehn Jahre geltende Vertrag sieht die graduelle Lockerung der Wirtschaftssanktionen vor. Dafür muss der Iran sein Atomprogramm intensiven Inspektionen seitens der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) unterziehen lassen.


Als Verhandlungsführerin will die US-Regierung unter Barack Obama dem Iran das für den Deal nötige Vertrauen vorschießen. Israels Premier und die US-Republikaner halten das für töricht. Nachfolgend die wichtigsten Argumente:


Pro: Wir können dem Iran vertrauen, weil …


… das Land unter den Wirtschaftssanktionen leidet und seine Regierung daher ein existenzielles Interesse daran hat, dass diese gelockert werden.


… die Regierung in der jüngsten Verhandlungsrunde seit November 2013 die Abmachungen eingehalten hat: Von den rund 20.000 Zentrifugen ist ein großer Teil abgeschaltet worden; die Menge des angereicherten Urans blieb begrenzt.


… die Mullahs in Teheran nicht selbstmörderisch sind. Sie wissen, dass ihnen im Fall der Zuwiderhandlung Militärschläge von Israel oder den USA drohen.


Kontra: Wir können dem Iran nicht vertrauen, weil …


… die Regierung seit 2002 die IAEA immer wieder frustriert und in die Irre geführt hat. Zuletzt wurde 2009 die Existenz einer großen unterirdischen Anlage bei Fordow entdeckt, von der die Inspektoren keine Ahnung hatten.


… das Land sich außerhalb der Nuklearverhandlungen nach wie vor als Feind des Westens und insbesondere der USA versteht. Vor zwei Wochen zerstörte seine Marine in Manövern die Attrappe eines US-Flugzeugträgers. Mullahs und Regierungsvertreter fordern immer wieder, der Staat Israel sei zu vernichten.


… das Land der weltgrößte Sponsor des Terrorismus ist. Der Iran bewaffnet Syrien und den Sudan, zwei andere Terrornationen. Der Hisbollah im Libanon und der Hamas im Gaza-Streifen lieferte das Land zigtausende von Raketen. Bis in die jüngste Vergangenheit hat der Iran Terroristen der Al Kaida Unterschlupf und Hilfe gewährt.


… seine revolutionäre Mullah-Regierung nicht zur Ruhe kommen kann. Sie will die schiitische Spielart des militanten Islams im Nahen Osten verbreiten. Iranische Agenten und Militärs spielen bereits eine Schlüsselrolle im Libanon, in Syrien, im Irak und in Jemen.


Also: Warum will Obama unbedingt einen Deal?


Obama lässt sich womöglich weniger vom Vertrauen in den Iran als vom Glauben leiten, dass die angepeilte diplomatische Lösung die beste aller Alternativen darstelle. Ohne einen Nukleardeal, befürchtet das Weiße Haus, wird der Iran in Kürze eine Atombombe entwickeln – oder es kommt zu einem Krieg. Die Politik Obamas baut darauf, dass der Iran mit einem Atomvertrag in die internationale Gemeinschaft eingebunden und ein «normales», berechenbares Land werden kann.


Obamas Zuversicht in Hinblick auf die Entwicklung des Irans wird jedoch von den wenigsten Fachleuten geteilt. Daher argwöhnen politische Beobachter, dass es dem US-Präsidenten primär um das persönliche Ziel geht, einen außenpolitischen Erfolg verbuchen zu können.


(Martin Suter/L'essentiel)






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