mercredi 18 mars 2015

Verwandtenaffäre: Der tiefe Fall des "Schüttel-Schorsch"


Wenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.




Wortlos kommt Georg Schmid an diesem Mittwoch ins Augsburger Amtsgericht. Ebenso wortlos verlässt es der frühere Chef der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag nach rund einer Stunde. Wie versteinert ist sein Gesicht, als er im Schwurgerichtssaal 101 den Ausführungen von Amtsrichter Michael Nißl folgt. 16 Monate Haft auf Bewährung und eine Geldauflage in Höhe von 120.000 Euro, so lautet das Urteil gegen den 61-Jährigen. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Schmid seine Ehefrau in der Zeit von 1991 bis 2013 als Scheinselbständige beschäftigte, wodurch der Sozialversicherung ein Schaden in Höhe von rund 300.000 Euro entstanden war. Der CSU-Politiker hatte seine Frau als Bürokraft beschäftigt, sie erhielt dafür bis zu 5500 Euro im Monat. Gegen Schmids Frau wurde zuletzt ein Strafbefehl in Höhe von 240 Tagessätzen erlassen.

Ebenso schmerzhaft wie die Strafe dürfte für Schmid an diesem Mittwoch sein, wie der Richter das Urteil begründet. Streckenweise ist es eine scharfe Abrechnung mit dem Juristen, der erklärt hatte, nach bestem Wissen gehandelt und lediglich einen Fehler gemacht zu haben. Das Gericht nehme Schmid den vorgebrachten Irrtum nicht ab, sagt Nißl. Der Angeklagte sei Jurist, noch dazu sei er im bayerischen Staatsdienst beschäftigt gewesen. Die Abgrenzungskriterien bei der Frage von Selbständigkeit oder Scheinselbständigkeit würden "bereits im Grundstudium thematisiert", so der Richter. Schmid schaut mit verkniffenen Augen zu Nißl.


Es ist ein steiler Absturz für Schmid. Beruflich habe dieser "letztlich alles verloren", sagt Nißl. "Die Fallhöhe ist enorm." Vorbei die Zeiten, in denen sich CSU-Freunde um Schmid scharten. Am 23. April 2013 hatte ihm die christsoziale bayerische Landtagsfraktion noch eine besondere Freude bereitet: Zum 60. Geburtstag von Schmid gab es ein mehrminütiges Ständchen mit Musikkapelle. Der sichtlich gerührte Jubilar stimmte selbst mit ein, so gut gefiel ihm offenbar der Refrain: "Trula, trula, trulala, Georg Schmid bleibt Shooting Star."


Das abrupte Ende einer Politikerkarriere


Wenn man Schmid den Posten lasse, würde man ihn auch noch in zehn Jahren in der Fraktion feiern, sangen die Abgeordneten damals - und ahnten vermutlich nicht, wie sehr sie danebenlagen. Statt der vermeintlich zehn weiteren Jahre folgten bis zum unfreiwilligen Abgang des Fraktionschefs nur noch ganze zwei Tage. Schmid trat am 25. April 2013 im Zuge der Verwandtenaffäre zurück, die damals Stück für Stück bekannt wurde.


Es war das abrupte Ende einer Politikerkarriere, die Schmid von der Kommunalpolitik in seiner Heimatstadt Donauwörth in die Landespolitik mit gut dotierten Posten geführt hatte: Er wurde Landtagsabgeordneter, Staatssekretär, 2007 stieg er zum einflussreichen CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag auf. Damals kannte man ihn längst unter seinem Spitznamen "Schüttel-Schorsch": So wurde er genannt, weil Schmid gern offensiv auf Leute zuging und Hände schüttelte.


Richter Nißl nennt bei der Urteilsbegründung gleich mehrere Punkte, warum das Gericht zum Ergebnis der Scheinselbständigkeit im Fall von Schmids Ehefrau kam. So seien die ausgestellten Rechnungsbeträge in den Kalenderjahren weitgehend gleich geblieben. "So was hat für gewöhnlich ein Arbeitnehmer, nicht ein Selbständiger." Teilweise seien die Zahlungen sogar vor der Rechnungsstellung erfolgt. Schmids Frau habe zudem keinerlei Werbung betrieben: "Keine Flyer, keine Visitenkarten, nichts. Welcher Selbständige kann sich das erlauben?", fragte der Richter.


Er hält dem Angeklagten außerdem vor, seine Aufwandsentschädigungsansprüche als Abgeordneter stets "bis zum letzten Tropfen" genutzt zu haben. Schmid hatte die Bezahlung seiner Frau beim Landtag in Rechnung gestellt. Dies war damals legal. Dutzende Abgeordnete waren ähnlich vorgegangen, die moralisch fragwürdige Praxis erschütterte später als Verwandtenaffäre den bayerischen Landtag. "Sie haben ihre Stellung als Abgeordneter ausgenutzt", sagt der Amtsrichter zu Schmid.

Ausführungen von Schmids Verteidigung, dem Juristen drohten im Fall einer Bewährungsstrafe von zwölf Monaten oder mehr der Verlust der Pensionsansprüche, weist Nißl zurück: "Dem ist nicht so. Die Pensionen, die ihnen zustehen, sind fürstlich." Auch könne keine Rede von einem drohenden Existenzverlust für Schmid sein. Verbindlichkeiten in Höhe von 700.000 Euro stünden Immobilien im Verkehrswert von 1,4 Millionen Euro gegenüber, "macht ein Saldo von 700.000 Euro plus". Er gehe deshalb davon aus, dass Schmid die Geldauflage in Höhe von 120.000 Euro problemlos bezahlen könne.


Schmids Verteidiger wollen jetzt "in aller Ruhe" prüfen, ob sie Revision einlegen.




Zusammenfassung: Ein Gericht in Augsburg hat den früheren CSU-Fraktionschef Georg Schmid zu einer Bewährungsstrafe von 16 Monaten verurteilt, weil er seine Ehefrau als Scheinselbständige beschäftigte. Für den einstigen Strippenzieher seiner Partei ein tiefer Fall.







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