lundi 16 mars 2015

Umstrittenes Stinkefinger-Video: Varoufakis beklagt sich über Jauch-Sendung


Hamburg - Auf Twitter tobt die Debatte um den Mittelfinger des griechischen Finanzministers. Unter dem Hashtag #FingerGate spekulieren Twitterer über die Echtheit des Videos. Viele Millionen Zuschauer haben am Sonntagabend "Günther Jauch" gesehen - nun gibt es Streit über die Glaubwürdigkeit von dort gezeigtem Bildmaterial. Und über die Glaubwürdigkeit von Giannis Varoufakis.


Darum geht es: In einem Einspieler in der ARD-Talksendung mit Günther Jauch (Die Sendung sehen Sie hier in der ARD-Mediathek) sagte Varoufakis mit Blick auf die Eurokrise, dass Berlin die Probleme alleine regeln könne und Griechenland Deutschland den Mittelfinger hätte zeigen sollen - den er dabei in Richtung der Kamera streckt.

"Diesen Finger habe ich nicht gezeigt. Das ist ein unechtes Video", behauptet Varoufakis im Live-Interview bei Jauch. Bei dieser Darstellung bleibt er auch am Tag nach der Sendung. Er sagte SPIEGEL ONLINE: "Das Video wurde ohne jeden Zweifel gefälscht." Zugleich erhebt er Vorwürfe gegen die Jauch-Redaktion. Diese habe ihn absichtlich schlecht dargestellt.


Woher stammt das Filmmaterial?


Die Sequenzen wurden in Zagreb aufgenommen, wo Varoufakis am 15. Mai 2013 eine Rede hielt. In der kroatischen Hauptstadt war er zu Gast bei dem alternativen "Subversive Festival", bei dem auch Alexis Tsipras bereits sprach, ebenso die Tochter von Ernesto "Che" Guevara, politische Philosophen oder Literaturtheoretiker. Varoufakis trat dort als Wirtschaftswissenschaftler und Kritiker der damaligen griechischen Regierung auf.


Während Varoufakis nun sagt, der Mittelfinger sei in das Video montiert worden, betont Alessandro Del Prete auf Twitter, er habe sechs Minuten aus dem 57-minütigen Vortrag geschnitten und den kurzen Clip bei YouTube hochgeladen. Del Prete hatte die Kurz-Version des Auftritts auf YouTube verbreitet. Mehr habe er mit dem Filmmaterial nicht gemacht. "Absolutely not fake", twittert er (auf Deutsch: "Absolut nicht gefälscht."). Er habe sich das Video mehrfach angeschaut, antwortet er Journalisten, die ihn auf die Echtheit des Videos angesprochen hatten: "Schau Dir die Lippen an, er sagt, was wir hören, und der Mittelfinger ist sichtbar. Kein Fake. :)".


Die Langversion der Rede, die offenbar aus dem Umfeld des "Subversive Festivals" auf dem YouTube-Kanal namens Skripta TV gepostet wurde, bestätigt die Version Del Pretes. Marko Kostanic, der Moderator der Veranstaltung, sagte SPIEGEL ONLINE, er erinnere sich nicht an die Geste. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass jemand das Video bearbeitet habe. In Deutschland berichtete die "Bild"-Zeitung Ende Februar das erste Mal über den Stinkefinger-Auftritt.


Was sagen die Video-Experten?


Es gibt keinerlei Hinweise auf eine Manipulation, weder inhaltlich noch technisch. Stutzig machen jedoch die roten Einzel-Bilder, die an verschiedenen Stellen des Videos auftauchen. Woher sie stammen, bleibt unklar. Aber: Da die roten Frames weder Varoufakis' Bewegung, noch den Fluss seiner Rede unterbrechen oder verändern, gehen Fachleute derzeit von technischen Fehlern im Bildmaterial aus. Solange also kein weiteres Video des Auftrittes auftaucht, das sich von der jetzt bekannten Version unterscheidet, gibt es vorerst keinen Beleg dafür, dass die Bilder manipuliert wurden.


Varoufakis bei Jauch am SonntagZur Großansicht

NDR


Varoufakis bei Jauch am Sonntag




Was sagt Varoufakis?

Der griechische Finanzminister nennt den Videoausschnitt eine Fälschung. Auch am Montag bleibt er bei dieser Version: "Das Video wurde ohne jeden Zweifel gefälscht", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Es ist der beklagenswerte Versuch, eine TV-Show zu torpedieren, in der ich versucht habe, dem deutschen Publikum eine Hand der Freundschaft anzubieten." Er beklagte weiter, dass die TV-Produktionsfirma von Jauch seinen Auftritt sabotiert habe: "Es ist unvorstellbar, dass sie (die Redaktion - Anm. der Redaktion) nicht wussten, dass das Video gefälscht wurde."


Noch in der Live-Sendung hatte er unter anderem gesagt:



"Das Material ist von der Konferenz, sehr wohl. Aber der Finger ist reinmontiert worden. Das sage ich ihnen ohne jeden Zweifel fest zu. Nehmen Sie es einfach hin. Das hat es nicht gegeben."




"Das ist so montiert worden. Ich habe so etwas nie gemacht. Ich schäme mich dafür, dass man mir so etwas zutraut, ein solches Video. Ich bin sicher, dass haben Sie nicht gewusst. Aber das ist getürkt. Diesen Finger habe ich nicht gezeigt."



Und was sagt die Redaktion von Jauch?


"Seine Vorwürfe, dass wir sabotieren, weisen wir zurück", sagte Simone Bartsch, die Sprecherin der Jauch-Produktionsfirma. "Wir sehen nach bisherigen Kenntnisstand überhaupt keine Anzeichen von Manipulation oder Fälschung im Video." Man prüfe die Echtheit der Filmsequenz weiter. Auch ein Sprecher des für die Talkshow zuständigen NDR sagte: "Es gibt im Moment keine Anzeichen dafür, dass das Video gefälscht ist." Man prüfe den Vorgang.


Die Redaktion muss sich im Zusammenhang mit dem Video jedoch auch noch mit anderen Vorwürfen auseinandersetzen: So war die Sequenz, die im Rahmen eines Einspielfilms über Varoufakis (Den Beitrag sehen Sie hier in der ARD-Mediathek ab Minute 24:00) gezeigt wird, zwar für wenige Sekunden mit der eingeblendeten Zeitangabe "Mai 2013" versehen. Der Zuschauer bekam in der Jauch-Sendung aber den Eindruck, Varoufakis beziehe sich mit seiner Geste auf die aktuellen Spannungen mit Deutschland im Schuldenstreit. Darum geht es aber nicht.


Tatsächlich spricht Varoufakis sogar über das Jahr 2010, also um die Anfänge der griechischen Staatsschuldenkrise. Damals, so referiert Varoufakis auf der Konferenz in Zagreb, habe er für sein Land einen Weg vorgeschlagen, wie ihn einst Argentinien gegangen sei. Griechenland hätte demnach im Januar 2010, also noch vor dem ersten Hilfspaket, den Staatsbankrott erklären und Deutschland den "Finger zeigen" sollen - nach dem Motto: "Ihr könnt das Problem jetzt alleine lösen."

Dieser zeitliche und inhaltliche Zusammenhang wird bei Jauch durch die starke Verkürzung aber nicht klar. Andreas Cichowicz, Fernseh-Chefredakteur des NDR, kommentierte die Kritik so:


Ein Sprecher des NDR ergänzte auf Nachfrage: "Mehr ist dazu nicht zu sagen."




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