Am Wochenende hat US-Außenminister John Kerry ein paar Sätze gesagt, die man so oder so verstehen kann. Je nachdem, mögen sie entweder einen größeren Wandel oder eine kleinere Anpassung in Amerikas Syrien-Strategie bedeuten. Auf jeden Fall markieren sie eine Veränderung, just am vierten Jahrestag des syrischen Bürgerkriegs.
Dies sind Kerrys Worte, ausgestrahlt am Sonntag vom TV-Sender CBS:
"Gemeinsam mit anderen Partnern arbeiten wir sehr hart an einem diplomatischen Weg. Warum? Weil wir uns alle einig sind, dass es keine militärische, sondern nur eine politische Lösung geben kann. Um aber das Assad-Regime an den Verhandlungstisch zu bekommen, müssen wir ihm (Assad) klarmachen, dass alle diesen Weg anstreben - und damit seine Kalkulation in Sachen Verhandlungen ändern."
Frage: Sind Sie bereit, mit ihm zu verhandeln?
"Nun, letztlich müssen wir verhandeln. Wir waren immer zu Verhandlungen auf Basis der Genfer Vereinbarungen bereit."
Entscheidend ist der letzte Teil: Hat Kerry in seiner Antwort seine Bereitschaft kundgetan, direkt mit Syriens Diktator Assad zu verhandeln? Bisher haben die USA ja stets Vertreter der (moderaten) Opposition und des syrischen Regimes zusammenbringen wollen, um eine Übergangsregierung zu diskutieren (Genfer Prozess). Assad, das war stets die Ansage, sollte an diesen Verhandlungen nicht teilhaben, sein Rückzug war gewissermaßen die Bedingung dieses Prozesses.
Sind plötzlich doch direkte Verhandlungen mit Assad denkbar?
Marie Harf, Kerrys stellvertretende Sprecherin, weist das zurück: Der Minister habe mit seinen Äußerungen keineswegs direkte Gespräche mit Assad in Aussicht gestellt. Die US-Politik bleibe unverändert diese: "Es gibt keine Zukunft für Assad in Syrien." Kerry habe lediglich betonen wollen, dass es um eine diplomatische Lösung gehe, bei der selbstverständlich Vertreter des Assad-Regimes am Tisch sitzen müssten. Aber eben nicht Assad selbst.
Wenn man Harfs Einordnung akzeptiert - obwohl die Frage nach Assad ziemlich klar war - dann stehen die Aussagen des Außenministers zwar nicht für einen größeren Wandel, doch ist zumindest eine Abschwächung der US-Position zu bemerken.
Denn anders als üblich sagt Kerry im CBS-Interview nirgends den Standardsatz, dass Assad jeden Anspruch auf die Führung Syriens verloren habe und gehen müsse. In dieser Sache schweigt Kerry und damit weicht er die bisherige US-Linie etwas auf.
Warum tut er das? Vier mögliche Gründe:
- Weil die Lage katastrophal ist und es so nicht weitergehen kann. Nach vier Jahren Krieg sind mindestens 220.000 Syrer tot und zwölf Millionen auf der Flucht, die moderate Opposition ist dezimiert, die Terrormilizen des "Islamischen Staats" (IS) profitieren vom Chaos. Assads Lage hat sich stabilisiert, Iran und Russland halten ihm weiterhin die Treue.
- Mancher in der US-Regierung fürchtet ein Vakuum, sollte Assad von heute auf morgen gestürzt werden, ohne Regelung der Nachfolge. Der IS könnte dann, so die Annahme, neuerlich profitieren und sich weiter ausbreiten. Jüngst erst hatte CIA-Chef John Brennan erklärt, "niemand von uns - nicht Russland, nicht die Vereinigten Staaten, nicht die Koalition (gegen den IS), nicht die Staaten in der Region - will einen Zusammenbruch der Regierung und der politischen Institutionen in Damaskus". Niemand wolle, dass der IS oder al-Qaida "auf Damaskus marschieren".
- Nicht auszuschließen, dass die Atomverhandlungen mit Iran eine Rolle spielen, schließlich soll bis Ende März eine Grundsatzvereinbarung stehen. Und wenn der Nuklearstreit erstmal aus dem Weg geräumt wäre, könnte das Teheraner Regime dann im Zuge seiner Rückkehr in die Weltgemeinschaft nicht vielleicht mäßigend auf Assad einwirken?
- Weil die USA kein echtes Druckmittel gegen Assad haben. Weder Demokraten noch Republikaner sind zum Beispiel bereit für eine größere militärische Intervention. Mehr als die gegenwärtigen Luftschläge gegen IS-Milizen - nicht gegen Assads Truppen - wird es nicht geben. Ohnehin liegt Washingtons Fokus auf dem Irak.
Tragisch an Kerrys Weichspülaktion ist dies: Die Taktik des Diktators Assad scheint mehr und mehr aufzugehen. Denn Assad hat ja erst den IS in Syrien wuchern lassen und gleichzeitig die moderaten Rebellen bekämpft, um sich dann als Verbündeter im Kampf gegen eben jenen IS zu empfehlen. Das war ein teuflischer Plan.
Russland könnte Assad stoppen. Iran könnte Assad stoppen. Die USA können es nicht. Das kann man aus den Worten John Kerrys herauslesen.
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