jeudi 12 mars 2015

Streit über Familienpolitik: Kampf ums Gedöns


Wenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.




Berlin - Plötzlich ist Politik wieder emotional. Nach Monaten stoischer Projektarbeit wird der Umgangston in der schwarz-roten Koalition schroff. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi etwa liefert Attacken, deren Stil man sonst von der CSU kennt: Im Streit über das Kindergeld warf sie der Union ideologische Verblendung vor, in der Debatte um Lohntransparenz sprach sie von "Macho-Politik". Dabei hatte man sich selbst bei Reizthemen wie Frauenquote und Mindestlohn zusammengerauft, sogar über die Maut schimpft gerade niemand. Warum fliegen also jetzt die Fetzen?

Ausrechnet an Familienleistungen, Sozialpolitik und Gleichstellung entzündet sich Ärger - Themen, die sonst eher selten den Koalitionsfrieden erschüttern. Doch der aktuelle Streit bietet Stoff für eine längere Auseinandersetzung. Das, was Gerhard Schröder (SPD) einst "Familie und Gedöns" nannte, hat das Zeug zur echten Belastungsprobe. Ein Überblick:


Kindergeld: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will das Kindergeld für alle Familien um sechs Euro anheben, verteilt auf zwei Jahre. Schäuble will auch den Kinderfreibetrag und den Kinderzuschlag für Eltern mit geringem Einkommen erhöhen. Der SPD ist das zu wenig, sie fordert ein Kindergeld-Plus von mindestens zehn Euro.


Alleinerziehende: Mütter und Väter ohne Partner profitieren nicht vom Ehegattensplitting, die einzige Vergünstigung ist der sogenannte Entlastungsbetrag: Single-Mütter oder -Väter dürfen von ihrem zu versteuernden Einkommen 1300 Euro abziehen. Seit 2004 ist diese Grenze unverändert, die SPD will sie deutlich anheben. Davon ist in Schäubles Familienpaket nichts zu finden.


Lohntransparenz: Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) will Unternehmen dazu verpflichten, die Gehälter ihrer Angestellten anonymisiert zu veröffentlichen. Die Transparenzoffensive soll auch dazu führen, dass Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen abzuschmelzen. Die Union ist dafür grundsätzlich offen - Ausgestaltung und Zeitpunkt des Gesetzes sind aber völlig unklar.


Besonders heftig gerät man bei den Alleinerziehenden aneinander. Knapp 2,7 Millionen Mütter und Väter ohne Partner gibt es in Deutschland: wie diese Grafik zeigt:




Sämtliche SPD-geführten Bundesministerien haben Einwände gegen Schäubles Gesetzentwurf erhoben - ein ungewöhnlicher Vorgang. Damit muss Schäuble seinen Entwurf aller Wahrscheinlichkeit nach nachbessern. Doch ob er sich auf alle SPD-Forderungen einlässt, ist ungewiss. In den vergangenen Monaten zeigte er sich stur, zuletzt band er Schwesig nicht einmal in die versandfertige Fassung seines Gesetzentwurfs ein. Eigentlich sollte das Paket Ende März ins Kabinett, doch nun wackelt der Zeitplan.


Bild eines knauserigen Kassenwarts


Die SPD gibt sich entrüstet, dabei kommt ihr die Debatte nicht ungelegen. Sie will ihr Profil in sozialer Gerechtigkeit schärfen und an Kindergeld und Alleinerziehern ein Exempel statuieren. "Es kann nicht sein, dass die Alleinerziehenden leer ausgehen, obwohl Herr Schäuble Steuermehreinnahmen hat", schimpft Schwesig.


Damit zeichnet sie das Bild eines knauserigen Kassenwarts, der jene ignoriert, die das Geld am dringendsten bräuchten. Selbst bei Nicht-Betroffenen regt sich da der Gerechtigkeitssinn - genau diesen Reflex will die SPD für sich nutzen. Schließlich kann das Wahlvolk die Nöte einer jungen Single-Mutter besser nachvollziehen als Paragrafen zur Vorratsdatenspeicherung.


Die Union hingegen will sich vom Koalitionspartner nicht treiben lassen und hält sich mit Gegenangriffen zurück. Aus Schäubles Sicht wären neue Ausgaben unvereinbar mit der schwarzen Null: 3,7 Milliarden würde sein Familienpaket jetzt schon kosten. Jeder zusätzliche Euro Kindergeld oder neue Entlastungen bürden Bund, Länder und Kommunen mehr Ausgaben auf. Maß halten, ist Schäubles Devise. Er drängt darauf, dass die Ministerien umschichten, anstatt immer nur die Hand aufzuhalten.


Doch auch in den eigenen Reihen sorgt Schäubles Kurs für Kritik. Die CDU-Familienpolitikerin Nadine Schön legte auf Twitter nahe, dass sich auch der Finanzminister bewegen müsse:


Ein unkomplizierte Einigung ist nicht absehbar. Zuletzt legte Schäuble dem Familienministerium nahe, es könne doch Mittel aus dem Elterngeld-Topf für die Alleinerziehenden verwenden. Schwesigs Haus reagierte mit einer Retourkutsche: Warum nicht brachliegende Gelder vom Betreuungsgeld zweckentfremden? Das wäre mit der Union allerdings garantiert nicht zu machen.


Das Gezerre dürfte bald in die nächste Runde gehen. Schwesig und Schäuble wollen sich wohl zeitnah zu einem persönlichen Gespräch treffen. Ein Termin steht noch nicht fest. Doch dass die beiden Minister um ein klärendes Gespräch nicht umhin kommen, ist beiden Seiten klar.




Zusammengefasst: Der Konflikt um Gelder für Elternpaare und Alleinerziehende spitzt sich zu - sämtliche SPD-Bundesminister lehnen das Familienpaket von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ab. Der muss nun nachbessern, doch die Forderungen des Koalitionspartners gehen Schäuble viel zu weit. Ein wochenlanger Streit droht.




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