jeudi 12 mars 2015

Reparationsforderungen: Griechische Schüler sollen mehr über Nazi-Verbrechen lernen


Wenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.




Acht Seiten nehmen der Zweite Weltkrieg, die deutsche Besatzung Griechenlands und die Gräueltaten der Nationalsozialisten in griechischen Schulbüchern ein. Das ist zu wenig, findet das Verteidigungsministerium und organisiert eine Kampagne, mit der unter Schülern und Soldaten das Bewusstsein für Verbrechen der Nationalsozialisten geschärft werden soll. Dazu gehört eine eigens erstellte Broschüre, die an Schulen und auf Militärbasen verteilt werden soll. Das Vorhaben hat der stellvertretende Verteidigungsminister Kostas Isichos erstmals bei einer Sitzung am Montag vorgestellt. Die griechische Regierung sieht die Kampagne als Teil der nationalen Verteidigungsstrategie. Die Athener Regierung fordert von Deutschland Entschädigung für abgepresste Kredite zur Zeit der NS-Besetzung und für erlittene Kriegsschäden.

Justizminister Nikos Paraskevopoulos drohte gar damit, deutsches Eigentum in Griechenland zu beschlagnahmen (Lesen Sie hier die Hintergründe.) Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte bereits im Wahlkampf versprochen, von Berlin Reparationen zu verlangen.


Griechische Schüler wissen wenig über Nazi-Zeit


"Heutzutage wird die Zeit der Besatzung ganz spät im Lehrplan unterrichtet, das muss sich ändern. Wir müssen das geschichtliche Wissen in den Schulen ausbauen", sagt Themis Kotsifakis, der Vorsitzende der griechischen Lehrergewerkschaft Olme.


Griechenlands Schüler lernen in der Regel in den letzten drei Jahren des Gymnasiums (im Alter von 12 bis 15) sowie in Lyzeum (16 bis 18) über den Zweiten Weltkrieg. Eine Schülerin einer privaten Schule in Thessaloniki erzählt, ihre Lehrer hätten dieses Thema kaum behandelt. "Wir haben im Gymnasium etwas über diese Zeit gelernt, aber viel war das nicht."


Manche Griechen fürchten, dass Initiativen wie die des Verteidigungsministeriums die Animositäten und antideutschen Gefühle im Land verstärken - und das in einer Zeit, in der die Solidarität der EU und die griechisch-deutschen Beziehungen durch die Schuldenkrise Athens ohnehin schon strapaziert sind.


Andere fordern das Verteidigungsministerium auf, sich aus schulischen Lehrplänen herauszuhalten. "Da wird Schritt für Schritt ein Propagandaplan erstellt, der unser Land nur noch weiter isolieren wird", schreibt etwa der Kolumnist Andreas Zampoukas im Netzportal Protagon.gr. "Das Verteidigungsministerium müsste einsehen, dass man in der westlichen Welt Schulen nicht zur Durchsetzung eigener politischer Pläne missbraucht."


Die Archive der Wehrmacht


Der Plan sieht auch vor, Gedenkveranstaltungen im In- und Ausland sowie eine internationale Konferenz abzuhalten. Dafür sollen griechische Auswanderer mobilisiert, geschätzt zwischen drei und sieben Millionen, werden. Allein in Deutschland gibt es 300.000 Auslandsgriechen. Zudem sollen bislang unveröffentlichte Archivdaten genutzt werden, um das Anliegen der Regierung zu unterstreichen. Dabei soll es sich um Daten über die Zerstörung von archäologischen Stätten, Denkmälern, Flughäfen, Häfen und Straßen handeln.


Vizeminister Isichos sagte im Parlament, dass das Archiv bis zu 400.000 Akten der deutschen Besatzer umfasse. Diese Akten seien von der Wehrmacht erstellt worden, und daher eine eindeutiger "Schuldbeweis".


Die griechische Regierung will ihre Reparationsforderungen nicht auf bilateraler Ebene, sondern international verhandeln. Athen erwägt eine Eingabe an die Unesco, in der man um Unterstützung bei der Identifizierung geplünderter Kunst und Antiquitäten bittet.


"Wir befinden uns nicht im Krieg mit Deutschland, aber diese offene Wunde der Nazi-Gräueltaten muss heilen", sagt Aristomenis Syngelakis, Mitglied im "Nationalen Rat für die Erstattung deutscher Schulden an Griechenland" und Teilnehmer des Planungstreffens der Kampagne.


Syngelakis' Vater war sieben Jahre alt, als dessen Vater bei dem Massaker von Viannos auf Kreta hingerichtet wurde. "Meine Großmutter hat meinem Vater damals gesagt, er solle die deutschen Soldaten mit Eiern und Süßigkeiten bestechen, um meinen Großvater freizulassen", erzählt er. "Doch als mein Vater zu den Soldaten ging, war Großvater schon längst tot. Meine Großmutter hat sich noch lange danach in ein Zimmer eingeschlossen und geweint, sobald sie deutsche Sprache gehört hat."

Im vergangenen März traf Syngelakis Bundespräsident Joachim Gauck, als dieser während seines Griechenland-Besuches die Opfer der Massakers von Lingiades ehrte. Dort hatten 1942 deutsche Soldaten 92 Menschen erschossen.


"Er war aufrichtig und hat sich bei uns entschuldigt", sagt er über Gauck. "Aber damit diese Entschuldigung etwas bedeutet, muss Deutschland seine Schulden bei uns bezahlen."




Zusammengefasst: Um der Forderungen nach Reparationen Nachdruck zu verleihen, will das griechische Verteidigungsministerium auch in Schulen verstärkt über die Verbrecher der Nazi-Besatzer aufklären. Manche Beobachter fürchten, die Kampagne könnte die antideutsche Stimmung im Land noch verstärken.




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