mardi 17 mars 2015

Die SPD und die Liebe zu Russland: Männlich, Sozi, sucht Putin-Freunde


Wer wissen will, worüber der Sozialdemokrat lacht, ist bei Volker Pispers an der richtigen Adresse. Der Mann fällt nach meiner Meinung eindeutig in die Kategorie des öffentlich-rechtlichen Hanswurst, wie der unbestechliche Hilmar Klute die Spaßbeauftragten nennt, die seit drei Jahrzehnten das deutsche Fernseh-Kabarett bevölkern. Aber sein Publikum frisst ihm jede Pointe dankbar aus der Hand.


Wenn Pispers auf der Bühne steht, ist die Welt wieder dort, wo die Friedensbewegung sie hinterließ: Hier die Amerikaner, die jedes Volk unterjochen, dass sich ihrem Machthunger in den Weg stellt - dort der brave Russe, der in Ruhe seinen Geschäfte nachgehen würde, wenn man ihn denn ließe. "Investigatives Kabarett" nennt sich das, wie ich gelesen habe, eine Form der Satire, die angeblich auf Tatsachen beruht.

"Man darf vielleicht mal daran erinnern, dass Russland den Westen nie überfallen hat", ist eine der Pispers-Pointen, die im Augenblick besonders gut zünden. Vor ein paar Wochen, anlässlich der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises in Mainz, hat er eine ganze Moderation um diesen Satz gebaut. Es gibt ein Video der Veranstaltung, auf dem man auch die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, unter den begeisterten Zuhörern sieht: Wenn der deutsche Kabarettist die Zeit zurückholt, als das Böse noch verlässlich im Westen wohnte, geht jedem guten Sozialdemokraten das Herz auf.


Den Pispers-Witz sollte man den Polen erzählen, die 1939 das Pech hatten, nähere Bekanntschaft mit Pispers' Friedensrussen zu machen. Dass die Deutschen den Zweiten Weltkrieg begonnen haben, stimmt ja nur zur Hälfte: In Wahrheit waren es die Deutschen mit den Russen an ihrer Seite. Wenige Tage, nachdem die Wehrmacht von Westen in Polen eingefallen war, schlug die Rote Armee von Osten zu.


In einem Vertragswerk hatten beide Länder eine Woche zuvor festgelegt, wer sich welche Beutestücke nehmen durfte. Polen wurde ziemlich genau in der Hälfte geteilt, Stalin erhielt laut Vertrag zusätzlich noch Estland, Lettland und Finnland. Aber vielleicht zählt Polen von Mainz aus gesehen ja gar nicht zum Westen, sondern ist weiterhin eines dieser ostelbischen Gebiete, in denen weder EU noch Nato etwas verloren haben.


In dieser Woche jährt sich der Tag, an dem sich das friedliebende Russland die Krim einverleibte. Inzwischen weiß man Dank des russischen Staatsfernsehens, dass Putin schon über die Annexion nachdachte, als er die Welt in Sotschi zu Gast hatte, um unter den olympischen Ringen die Völkerverständigung zu feiern. Schwer zu sagen, was einen mehr verblüffen soll: die Kaltschnäuzigkeit, mit der die Lügenfassade eingerissen wird, die man vorher aufgebaut hatte - oder die achselzuckende Nonchalance, mit der im Lager der Russlandfreunde solche Enthüllungen zur Kenntnis genommen werden.


Demokratie als Staatsform für Schwächlinge


Für Empörung kann man sich in der Politik nicht viel kaufen. Auch das Waffengefuchtel in Washington ist nur eine Geste für die billigen Plätze, die niemanden auf der anderen Seite wirklich beeindruckt. Aber warum geht bei so vielen in der SPD der Versuch, Verständnis für die Situation zu entwickeln, in ein stilles Einverständnis über? Dass Russlandversteher zu einem schlechten Wort geworden ist, liegt daran, dass viele Russlandversteher es zu seinem Synonym für Schönrednerei und Apologetentum gemacht haben.


Die Liste ehemaliger Würdenträger der SPD, die das Geschäft Moskaus besorgen, ist lang, und sie wird immer länger. Sie umfasst zwei Kanzler, den langjährigen Ministerpräsidenten eines ostdeutschen Bundeslandes, und seit zwei Wochen auch einen ehemaligen Finanzminister und Kanzlerkandidaten. Peer Steinbrück mag sich einreden, nicht bei Putin, sondern bei einem ukrainischen Oligarchen angeheuert zu haben, um in Kiew der Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen. Sein Auftraggeber gilt allen, die Wirtschaftszeitungen lesen können, als ein Mann des Kreml. Die ukrainischen Regierung hat umgehend klargestellt, dass sie weder von Steinbrück noch von dessen Milliardär Hilfe wünscht.


Auf den ersten Blick ist nur schwer zu verstehen, warum ausgerechnet in einer Partei, die die Frauenquote zum heiligen Gral erklärt hat und jeden Verstoß gegen den Mindestlohn unnachsichtig ahndet, ein Mann wie Putin Verständnis findet, der Demokratie für eine Staatsform für Schwächlinge hält. Aber möglicherweise hat beides mehr miteinander zu tun, als man meinen sollte.

Es fällt auf, dass die meisten Putin-Verteidiger Männer jenseits der Sechzig sind, die ihre aktive Zeit in der Politik hinter sich haben. Insgeheim haben diese Leute die Ultrarealpolitik immer bewundert, bei der Menschenrechte unter das vielzitierte Gedöns fallen. Jetzt können auch sie endlich mal den "Tough Guy" herauskehren, der mit einem Federstrich ganze neue Weltgegenden neu ordnet und so herrlich zynisch über die Weltläufe urteilt, wie das ansonsten nur amerikanische Senatoren dürfen.


So gesehen wäre die späte Putin-Bewunderung die nachträgliche Kompensation für die entsagungsvollen Jahre unter der Aufsicht von Frauen wie Andrea Nahles und Elke Ferner mit ihrer Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. Das wäre dann allerdings eine Pointe, die wirklich zum Lachen ist.







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