dimanche 8 mars 2015

Saudi-Arabien-Reise: Gabriel setzt sich für Blogger Badawi ein


Im Konferenzraum hängt der schwere Duft von Lilien. Der saudische Finanzminister hat mit seinem Tross bereits auf Ledersesseln Platz genommen. Erwartungsvoll schauen die Männer in ihren weißen Gewändern zu, wie die Fremden sich langsam sammeln. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nimmt den deutschen Botschafter kurz beiseite und stöhnt: "Das ist schon ein kompliziertes Land", und der Mann erwidert mit diplomatischen Reflex: "Interessant und kompliziert."


Gabriel ist in diesem Moment erst zwei Stunden in Saudi-Arabien. Er hat mit dem Finanzminister Ibrahim Abdulaziz Al-Assaf unter vier Augen gesprochen, er hat Höflichkeiten ausgetauscht. Doch schon scheint der SPD-Chef und Vizekanzler zu ahnen, dass er sich bei seiner Reise in das Königreich auf einer Mission befindet, die kaum zu erfüllen ist.

Gabriel führt an diesem Wochenende eine 90-köpfige Delegation aus Wirtschaftsleuten an. Gewissermaßen als deren oberster Verkaufschef soll er helfen, deutsche Produkte zu vermarkten: Gasturbinen, Solaranlagen, Medizingerät, sogar Fußbodenbeläge haben die Manager in ihren Werbebroschüren im Gepäck. Doch in Wahrheit erwartet die deutsche Öffentlichkeit, dass sich Angela Merkels Stellvertreter für die Menschenrechte in dem mittelalterlich wirkenden Staat einsetzt, in dem öffentliche Auspeitschungen und Enthauptungen zum Strafgesetz gehören und der Islam so streng ausgelegt wird, dass Frauen kaum Rechte haben.


Gabriel steht vor einem Dilemma


Schon seit Wochen haben Aktivisten in Deutschland Druck aufgebaut. Die Ehefrau des inhaftierten Bloggers Raif Badawi sandte Gabriel einen anrührenden Brief zu, damit er sich für die Freilassung ihres Mannes einsetzt. 1000 Stockhiebe, so lautet das Urteil gegen den mutigen Mann, der es wagte, die Religion zu kritisieren. 50 davon sind bereits vollstreckt worden.


Gabriel steht vor einem Dilemma: Wirtschaft oder Menschenrechte? Kurz bevor er in die gepanzerte Limousine steigt, um zu seiner Audienz beim neuen König Salman ibn Abdulaziz zu fahren, sagt er zu den mitgereisten Journalisten: "Ich werde versuchen, deutlich zu machen, dass die Härte der Strafe für uns unvorstellbar ist."


Trotz aller Höflichkeiten, dem vielen vornehmen Lächeln und den Demutsgesten, die zwischen Saudis und Deutschen ausgetauscht werden - Gabriel hat den unausgesprochenen Disput mit seinen arabischen Gastgebern eskalieren lassen. Und die Saudis sind gar nicht begeistert von der Botschaft des Bundesministers. Das saudische Außenministerium ließ am Sonntag vermelden, dass der Deutsche sich bitte nicht "in die inneren Angelegenheiten" Saudi-Arabiens einmischen solle. Vermutlich hatten sich die Saudis vor allem an den Fernsehbildern gestoßen, die Gabriel vor der Abreise mit Menschenrechtsaktivisten der Organisation Avaaz zeigten.


Die Protestler hatten sich direkt vor den Eingang des militärischen Teils am Berliner Flughafen Tegel postiert, und Gabriel war aus seiner Limousine ausgestiegen, um sich mit ihnen zu unterhalten. Bis dahin hatten der Vizekanzler und sein Umfeld stets nur im Hintergrund davon gesprochen, sich für den von der Todesstrafe bedrohten Blogger einzusetzen. Es sei zielführender, dies nicht vor laufenden Kameras zu tun, hieß es zur Begründung.


Saudi-Arabien unter Druck


Doch kurz vor seinem Gespräch mit dem König entschied sich Gabriel für die Offensive. Es scheint, als ob ihm der innenpolitische Eindruck wichtiger ist als ein fruchtbares Geschäftsklima mit den Saudis. Er sucht den Erfolg in der sozialdemokratischen, in der linken Wählerschaft. Dabei weiß Gabriel genau, dass er ihre größte Erwartung nicht erfüllen kann: den Blogger zu befreien.


Denn einen solchen Gefallen werden ihm die Machthaber kaum gewähren. Saudi-Arabien ist derzeit ein Land in Angst: eingeklemmt im Norden wie im Süden zwischen Kriegen und Bürgerkriegen. Seit Monaten zeigt das autokratische Regime mehr Härte im ganzen Land, hat mehr Menschen verhaftet, mehr exekutiert als gewöhnlich. Es steht unter dem Druck konservativer Kleriker, denen die Nähe des Königshauses zum Westen schon immer ein Dorn im Auge war. Und auch die TerrororganisationIslamischer Staat (IS) übt Druck aus, indem sie offen die geistige Führerschaft im Islam für sich reklamiert, obwohl genau das der saudische König ist: Hüter der heiligen Stätten des Islams.

Nach dem Treffen mit Salman berichtet Gabriel ausführlich davon, wie lange er mit dem König über die Menschenrechte gesprochen hat. Dessen Reaktion sei gewesen, die Justiz seines Landes sei unabhängig, er könne da leider nichts machen. Und Gabriel habe erwidert, in Deutschland gäbe es für das Staatsoberhaupt die Option, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Beeindruckt hat das König Salman offenbar wenig. Der neue Regent wollte mit Gabriel viel lieber über die Wirtschaftsbeziehungen reden, über deutsche Qualitätsprodukte, von denen ihn besonders die militärischen interessieren.


Gabriel jedoch will ihm, so sagt er es jedenfalls offiziell, lediglich Rüstungsgerät verkaufen, mit dem sich die Landesgrenzen verteidigen und überwachen lassen. "Ich habe ihm gesagt, dass es gegen das Gesetz ist, wenn wir Waffen liefern, die repressiv gegen das eigene Volk eingesetzt werden können." Die Saudis sehen sich indes als Hüter der Stabilität in der Region und wollen dafür mit modernstem Kriegsgerät ausgestattet werden. König Salman lächelte auch diesen Konflikt für das Protokoll weg: Die Fachleute sollen weiter über das Rüstungsthema verhandeln.






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