lundi 2 mars 2015

Edathy-Prozess eingestellt: Und jetzt noch Aufklärung, bitte


Na endlich. Das juristische Gezerre um die Kinderpornografie-Vorwürfe gegen Sebastian Edathy ist nach einem Jahr beendet. Das ist eine rundweg gute Nachricht. Die zwei Verhandlungstage des Prozesses haben die ganze Absurdität der Veranstaltung noch einmal vor Augen geführt: eine Staatsanwaltschaft, die einsehen muss, dass sie wenig gegen Edathy in der Hand hat. Ein Ex-Bundestagsabgeordneter, der erst auf der Anklagebank den Mumm dazu findet, die Wahrheit über seine Bestellungen ein Stück weit offen zu legen. 5000 Euro muss er nun zahlen. Welch ein mickriger Betrag angesichts dieses Theaters.


Beide Seiten können nun ihre Lehren aus dem Verfahren ziehen. Zunächst einmal die Staatsanwaltschaft Hannover. Wäre sie ein Unternehmen, müsste sie sich selbst nun ein paar Compliance-Richtlinien geben. Denn die Ankläger haben bei ihren Ermittlungen ihre Kernaufgabe aus den Augen verloren: den Schutz des Rechtsstaates, das faire Verfahren. Es wäre gut, wenn sie mal wieder einen Blick in die Strafprozessordnung werfen würden. Da steht nämlich nichts davon, Verdächtige mit Durchstechereien der öffentlichen Vorverurteilung preiszugeben.

Unangenehme Aufarbeitung


Edathys Neuanfang ist schwieriger. Er hat alles verloren. Seinen Beruf. Seine gesellschaftliche Stellung. Und, ja: seine Heimat. Aber er hat selbst mit seinem eiskalten Verhalten dafür gesorgt, dass ihn hierzulande wohl niemand vermissen wird.


Der Fall Edathy ist auch ein erschütterndes Beispiel dafür, wie jemand, der offensichtlich ein menschliches Problem hat, sich in Paragraphen flüchtet, um jene Probleme zu verdrängen. Und der Fehler bei allen sieht - nur nicht bei sich selbst.


Nach der strafrechtlichen steht jetzt endlich die politische Aufarbeitung der Affäre im Vordergrund. Das ist für die Große Koalition keine angenehme Situation, schon gar nicht für die SPD. Bislang nutzten die Sozialdemokraten die persönlichen Verfehlungen Edathys, um seine Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Das wird künftig schwieriger, allein schon deshalb, weil jetzt die entsprechenden Schlagzeilen ausbleiben.


Netz aus Lügen


Der Fall Edathy dreht sich ab sofort nur noch um die Frage, ob die SPD-Spitze die Wahrheit sagt, wenn sie beteuert, Edathy weder mittelbar noch unmittelbar vor den Ermittlungen gegen ihn gewarnt zu haben.


Es spricht wenig dafür, dass Edathy seine Behauptung, von seinem ehemaligen Kollegen Michael Hartmann über den Verdacht gegen ihn informiert worden zu sein, kurzfristig erfunden hat. Zeugen haben vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass Edathy ihnen diese Version schon im November 2013 erzählte. Hartmann selbst hat noch kein glaubwürdiges Dementi abgegeben.

Mag sein, dass das Publikum langsam das Interesse an der Rekonstruktion der genauen Geschehnisse im Herbst 2013 verliert. Und man kann auch der Meinung sein, dass es - weltpolitisch gesehen - dieser Tage größere Probleme gibt, als die Frage, ob ein SPD-Fraktionschef etwas verschweigt oder nicht.


Aber der Fall Edathy hat nicht nur das Vertrauen in die Verlässlichkeit einer Staatsanwaltschaft angekratzt. Er droht auch dem Vertrauen in die Politik zu schaden, so lange der Verdacht nicht ausgeräumt werden kann, dass eine Volkspartei ein Netz aus Lügen strickt - und dabei aus Koalitionsräson vom Regierungspartner noch geschützt wird.



Zum Autor




Christian Thiel



Veit Medick ist Politikredakteur im Berliner Büro von SPIEGEL ONLINE.

E-Mail: Veit_Medick@spiegel.de


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