mercredi 25 février 2015

US-Scharfschützen im Irak: Abdrücken. Das Ziel nicht als Mensch wahrnehmen


Berlin - Der Sturz von Diktator Saddam Hussein ging schnell, der Jubel war groß. Doch schon bald nach ihrem Einmarsch im Irak 2003 standen die US-Soldaten und ihre Verbündeten vor einem Problem. Der Widerstand war noch keineswegs gebrochen: Aufständische schlugen als Heckenschützen, Selbstmordattentäter und mit anderen unkonventionellen Sprengsätzen zurück.


Wie kann man Soldaten vor solchen Anschlägen schützen? Am ehesten noch mit Scharfschützen. Sie gelten im US-Militär als Elitegruppe, besonders gut ausgebildet und nervenstark. Ihre Aufgabe: Menschen erschießen, die das Leben amerikanischer Soldaten gefährden. Etwa weil sie sich mit einer Granate einem Trupp nähern oder weil sie einen Sprengsatz am Straßenrand deponieren.

Ausgewählt werden Soldaten, die sich durch besondere Ruhe und Treffsicherheit auszeichnen. Wie Christopher "Chris" Kyle, dessen Leben von Clint Eastwood verfilmt am Donnerstag in die Kinos kommt.


Kyle gilt als der "erfolgreichste" US-Scharfschütze aller Zeiten. Zwischen 160 und 255 Menschen hat er im Irak getötet. Als "Teufel von Ramadi" fürchten ihn seine Feinde. Im Februar 2013 wurde er selbst von einem Irak-Veteranen ermordet.


Scharfschützen töten aus bis zu 900 Metern Entfernung


Die meisten Scharfschützen haben bereits vor ihrer Militärzeit Schießen geübt, auch Kyle, der mit seinem Vater zur Jagd ging. In einer meist zehnwöchigen Ausbildung üben die Soldaten das Anpirschen, Tarnen und Schießen aus besonders großer Distanz. Üblicherweise töten die US-Scharfschützen ihren Gegner aus zwischen 200 und 900 Metern Entfernung. Einen Angreifer erschoss Kyle nach eigenen Angaben aus knapp zwei Kilometern.


Chris Kyle im Jahr 2012: Der "Teufel von Ramadi"Zur Großansicht

AP/ The Fort Worth Star-Telegram


Chris Kyle im Jahr 2012: Der "Teufel von Ramadi"




Doch wie sah der Alltag der US-Scharfschützen im Irak aus? Die Soldaten selbst geben nur selten Auskunft. Es gilt als unfein, sich mit seiner Arbeit zu brüsten. Aus Gerichtsverhandlungen, in denen Soldaten angeklagt waren und aus Reportagen von Journalisten, ist jedoch einiges bekannt.

"Sie werden dazu ausgebildet, gleichgültig abzudrücken"


Im Irak sind die US-Scharfschützen aus Sicherheitsgründen in mehrköpfigen Teams unterwegs, so dass die einen immer den Überblick behalten können, während die anderen am Zielfernrohr lauern - oft tagelang mit wenig Schlaf. Ihre Hauptbeschäftigung? Warten.


Sie müssen zudem, anders als noch oft während ihrer Ausbildung, schwere Schutzwesten unter der Tarnkleidung tragen. Dies macht sie unbeweglich - und dürfte im heißen Irak eine ziemliche Tortur gewesen sein. Als Standardwaffe dient das M24-Gewehr, das auf rund 800 Meter präzise schießt. In der Wüste ziehen die Soldaten Plastiktüten oder Kondome über die Mündung, um den Lauf vor Sand zu schützen.


Ihren Feind sehen die Soldaten durch das Zielfernrohr genau. Trotzdem beschreiben viele von ihnen den Vorgang des Tötens extrem distanziert. "Meist sieht man nur den Staub von ihrer Kleidung aufsteigen und etwas Blut austreten", sagte 2004 ein US-Scharfschütze im Irak der "New York Times".


"Scharfschützen werden dazu ausgebildet, gleichgültig abzudrücken und ihr Ziel nicht als Menschen wahrzunehmen", sagte 2007 der Ex-Soldat und Militärverteidiger James D. Culp derselben Zeitung.


Die Aufständischen passten sich schnell an


Im Irak bildete das US-Militär bald im Eilverfahren weitere Scharfschützen aus, weil die Nachfrage nach ihnen so groß war. 2003, so die inoffizielle Schätzung, erschossen US-Scharfschützen im Irak durchschnittlich zwei, drei Aufständische pro Tag.


Doch dies änderte sich bald. Schließlich lernten auch die Aufständischen rasch, wo die Gewehrteams gerne lauerten. 2004 und 2005 gelang es den Aufständischen sogar, jeweils ein Scharfschützenteam zu überfallen und zu ermorden.


Das Pentagon erlaubte in dieser Zeit ein umstrittenes Köder-Programm: Die Scharfschützen legten Munition oder Sprengstoff aus. Wer sich danach bückte und die Waffen mitnehmen wollte, wurde erschossen. Menschenrechtler verurteilten die Praxis, da so auch Zivilisten zum Ziel werden konnten. Dennoch hielt das US-Militär an ihr fest.


Die irakische Regierung hält den Film für beleidigend


In den USA hat "American Sniper" für heftige Diskussionen gesorgt. Eastwood wird vorgeworfen, eine einseitige Sichtweise einzunehmen: die von Chris Kyle. Wie Iraker den Konflikt sahen, kommt darin nicht vor. Sie werden als "Wilde" dargestellt - so wie Kyle sie auch in seinem Buch bezeichnet.


Auch im Irak löste der Film gemischte Reaktionen aus. In Bagdad, berichteten mehrere US-Reporter, waren die ersten Kinovorstellungen ausverkauft. Manche Zuschauer wurden wütend, andere dagegen jubelten jedes Mal, wenn Kyle einen Terroristen erschoss. Sie sahen ihn im Krieg gegen einen gemeinsamen Feind, den "Islamischen Staat" (IS).

Dabei handelte es sich bei den damaligen Aufständischen um einen bunten Mix. Der IS-Vorläufer war darunter genauso vertreten wie schiitische Milizen, die heute zu Bagdads Verbündeten gegen den IS gehören.


In Bagdad wurde der Film nur eine Woche lang im Kino vorgeführt. Danach befahl nach Medienberichten Iraks Kulturminister, "American Sniper" aus dem Programm zu nehmen. Der Streifen "beleidige die Iraker". Seitdem laden die Iraker fleißig Raubkopien im Internet herunter.






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