mercredi 1 avril 2015

Umstrittener Kabinettsbeschluss: Fracking kommt - Hendricks muss damit leben


Wenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.




Die Umweltministerin hat es an diesem Mittwoch nicht leicht. Barbara Hendricks (SPD) muss eine Technologie rechtfertigen, für die sie eigentlich nichts übrig hat. "Ich bezweifle, dass es einen Bedarf für Fracking in Deutschland gibt", sagt sie in Berlin. Trotzdem präsentiert sie einen Gesetzentwurf, den die Bundesregierung am Morgen beschlossen hat. Und der öffnet grundsätzlich Türen für die umstrittene Methode. Vorangegangen war ein monatelanger Streit zwischen Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), in dem das Kanzleramt vermitteln musste. Der Widerstand gegen ein Fracking-Gesetz ist noch immer groß, in Union und SPD soll es viele Gegner geben.

Läuft aber alles wie geplant, wird die testweise Förderung von unterirdischem Gas mittels Chemikalien in Deutschland künftig erlaubt. Vorerst unter strengen Auflagen und nur zu Probezwecken. Aber dass das Fracking irgendwann Standard sein könnte, ist durchaus möglich.


Was steht im Gesetzentwurf?



  • Die Reform regelt einerseits Bohrungen direkt unterhalb der Erdoberfläche, bis zu einer Tiefe von 3000 Metern (unkonventionelles Fracking). Bislang gibt es dafür keine klaren Vorschriften.

  • Die Suche nach potenziellen Fracking-Gebieten wird für diesen Bereich ausdrücklich erlaubt. "Das vorliegende Gesetz schafft die rechtliche Grundlage für derartige Erprobungsmaßnahmen", heißt es in dem Entwurf. Konzerne sollen testweise fracken dürfen, sofern eine Kommission zustimmt. Behörden und Länder haben ein Vetorecht.

  • Die Kommission darf im Anschluss, ab dem Jahr 2019, kommerzielle Projekte zulassen. "Ausnahmsweise kann nach erfolgreichen Erprobungsmaßnahmen ein Antrag auf kommerzielles Fracking gestellt werden, wenn eine unabhängige Expertenkommission die Maßnahmen (...) mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstuft", heißt es im Entwurf. Die Experten setzen sich wie folgt zusammen:

























Wie setzt sich die Fracking-Expertenkommission zusammen?
1. Ein Vertreter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
2. Ein Vertreter des Umweltbundesamtes (UBA)
3. Ein Vertreter eines Landesamtes für Geologie, das nicht für die Zulassung der Erprobungsmaßnahmen zuständig ist
4. Ein Vertreter des Helmholtz-Zentrums Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrums (Helmholtz -Gesellschaft)
5. Ein Vertreter des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig
6. Ein vom Bundesrat benannter Vertreter einer für Wasserwirtschaft zuständigen Landesbehörde, die nicht für die Zulassung der Erprobungsmaßnahmen zuständig ist



  • Auch die Auflagen für tieferes Erdreich, also unterhalb von 3000 Metern (konventionelles Fracking), sollen angepasst werden. In Niedersachsen finden solche Bohrungen schon lange statt, allerdings nur in bestimmten Gesteinsschichten. Die Bundesregierung betont: In Frage kommen "nicht oder nur schwach wassergefährdende Stoffe".

  • Insgesamt sollen sieben Einzelgesetze im Berg- und Wasserrecht umgeschrieben werden. Ein komplettes Langzeitverbot sieht der Entwurf aber nicht vor: Die Fracking-Regeln kommen 2021 auf den Prüfstand.


Hier finden Sie den Gesetzentwurf der Bundesregierung im Wortlaut:




Hendricks drückt in Berlin mehrfach Zweifel aus, ihr Unbehagen ist spürbar. "Ob Fracking jemals umweltverträglich hinzubekommen ist, muss sich erst zeigen", sagt sie. Teilweise distanziert sie sich sogar von ihrem eigenen Gesetz: Die Expertenkommission etwa sei auf Druck der Union im Entwurf installiert worden, betont die Ministerin.


Doch Hendricks saß mit am Verhandlungstisch, also geht sie in die Offensive: "Wir führen die strengsten Regeln ein, die es je in Deutschland gab", verteidigt sie das Vorhaben.


Außerdem könne man eine Technologie nicht pauschal verbieten, erklärt sie. Die bisherige Rechtslage sei nicht klagesicher, Unternehmen könnten Genehmigungsanträge vor Gericht durchsetzen. "Es ist ein Gesetz, dass das Fracking so weit wie möglich einschränkt", betont Hendricks.


Schon 2016 könnte das Gesetz in Kraft treten, doch Widerstand im Parlament ist programmiert. In vielen Wahlkreisen gibt es eine starke Bürgerbewegung, Aktivisten warnen vor Gift im Trinkwasser und Erdrutschen. Beim Fracking wird Gestein mit hohem Druck aufgebrochen, dazu wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst.



Den Ängsten gegenüber steht das Versprechen der Wirtschaft, die Technologie im Griff zu haben. Neue Wege der Energiegewinnung müssten zumindest ausprobiert werden, fordern Befürworter, auch um weniger abhängig von Energie-Importen zu sein. In Deutschland wird ein Vorkommen an Schiefer- und Kohleflözgas vermutet, das den Bedarf für zehn Jahre decken könnte. In den USA löste das Fracking einen regelrechten Boom aus. Dass keine Pannen passieren, kann jedoch auch die Bundesregierung nicht garantieren: "Unfälle sollen soweit wie möglich ausgeschlossen werden", heißt es im Entwurf. Sätze wie diese dürften Fracking-Gegner ziemlich aufregen.

Man muss aber auch festhalten: Das Vorhaben der Bundesregierung ist kein Fracking-Freifahrtschein. Passagenlange Vorschriften sollen Umwelt, Natur und Verbraucher schützen, Unternehmen stärker für durch Fracking verursachte Schäden in die Pflicht genommen werden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie kritisierte die Hürden am Mittwoch als "völlig überzogen".


Trotzdem ist die Tür für das Fracking in Deutschland so weit offen wie nie - und ein Komplettverbot vom Tisch.




Zusammengefasst: Das umstrittene Gas-Fracking soll unter strengen Auflagen zu Probezwecken erlaubt werden. Eine spätere großflächige Förderung ist nicht ausgeschlossen. Das Kabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf beschlossen. Nun muss sich das Parlament darum kümmern, 2016 könnte das Fracking-Gesetz in Kraft treten.




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