mardi 7 avril 2015

Griechische Reparationsforderungen: Die 280-Milliarden-Euro-Frage


Der Internationale Währungsfonds will sein Geld zurück, Staatsanleihen werden fällig, Zinsen müssen bedient werden. Griechenland schleppt sich derzeit von Tag zu Tag. Weil weder die Wirtschaft in Schwung kommt, noch der Staatsapparat reformiert wird, fragen sich viele: Wie lange kann das Land den Bankrott noch abwenden?


Auf allen Kanälen versucht die Regierung von Alexis Tsipras, den Druck auf die Geldgeber zu erhöhen und die eigene Verhandlungsposition zu verbessern. Finanzminister Gianis Varoufakis begibt sich auf Charme-Tour nach Washington. Tsipras selbst reist zum Entsetzen Brüssels nach Moskau. Wir haben nichts zu verlieren - das ist die Botschaft, die die Syriza-Regierung dieser Tage aussendet.

Passend dazu versucht Athen, im Schatten der Schuldenkrise noch eine andere Debatte voranzutreiben: über die deutsche Kriegsschuld. Seit Wochen schon pocht Tsipras darauf, dass Deutschland endlich umfassend für NS-Verbrechen auf griechischem Boden aufkommt. Was bislang eine eher abstrakte Forderung war, wird jetzt konkret: 278,7 Milliarden Euro soll nach griechischen Rechnungen die deutsche Schuld für das Nazi-Unrecht während der Besatzungszeit zwischen 1941 und 1944 betragen. Es ist die nächste Stufe in einem höchst sensiblen Streit zwischen Athen und Berlin.


Wie kommt es zu der nun genannten Summe?


Experten des staatlichen griechischen Rechnungshofes haben in den vergangenen zwei Jahren die Gesamthöhe der Reparationen berechnet. Unter Berufung auf die bislang geheime Studie hatte die Athener Zeitung "To Vima" Anfang März berichtet, dass die Forderungen zwischen 269 und 332 Milliarden Euro liegen könnten. Eine Auswertung durch den zuständigen Parlamentsausschuss soll nun die vorläufige Summe von 278,7 Milliarden Euro ergeben haben.


Die Zahlung soll aufwiegen, was die Nazis in Griechenland angerichtet haben. Nach der Rechnung würden allein für den von den Nationalsozialisten auferlegten Zwangskredit aus dem Jahr 1942 in Höhe von damals 476 Millionen Reichsmark heute 10,3 Milliarden Euro fällig. Der große Rest diene laut Vizefinanzminister Dimitris Mardas der Entschädigung von Bürgern sowie der Wiedergutmachung von Kriegsschäden. Für die Studie sollen 50.000 Dokumente sowie eine Aufstellung aller Zerstörungen und Beschlagnahmungen während der Besatzung ausgewertet worden sein.


Wie reagiert die deutsche Politik?


Die Bundesregierung betrachtet die Reparationsfrage als "politisch und juristisch abgeschlossen". Zum einen verweist Berlin auf die Nachkriegsvereinbarungen zur Wiedergutmachung, in deren Rahmen Griechenland 115 Millionen D-Mark bekam. Zudem wird die Auffassung vertreten, dass mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Einheit 1990 sämtliche Reparationsforderungen hinfällig seien.


Zu den neuen Forderungen aus Athen nahm am Dienstag einzig Vizekanzler Sigmar Gabriel Stellung - ohne allerdings auf die Summe einzugehen: "Ich finde es ehrlich gesagt dumm." Gemeint war die Vermengung der Debatte um Entschädigungsforderungen und die schwierigen Verhandlungen im griechischen Schuldendrama. Beide Dinge hätten nichts miteinander zu tun, seien aber sehr aufgeladen.


Die Reaktion des SPD-Chefs zeigt, dass Athen sich mit immer neuen Reparationsforderungen inmitten des Schuldenstreits keinen Gefallen tut. Denn selbst bei denen, die offen für eine grundsätzliche Debatte über eine womöglich noch bestehende materielle Verantwortung Deutschlands sind, lösen gigantische Summen wie die nun ins Spiel gebrachten 278,7 Milliarden ablehnende Reflexe aus.


Dennoch wandte sich Gabriel am Dienstag dagegen, einen Schlussstrich unter die Reparationsdebatte zu ziehen. Genau diesen Vorwurf erhebt die die Opposition. Die Bundesregierung habe in der Reparationsfrage die notwendige Sensibilität bisher vermissen lassen, beklagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Linken-Chef Bernd Riexinger brandmarkte die "vermeintliche kollektive Geschichtsvergessenheit der Bundesregierung" als "zutiefst beschämend".

Stellt Athen einen Zusammenhang zwischen den Reparationen und dem Schuldenstreit überhaupt her?


Sachlich natürlich nicht. Doch ohne Frage setzt vor allem die neue Links-Rechts-Regierung in Athen die Forderungen taktisch ein. Mit der Zuspitzung des Schuldendramas in den vergangenen Wochen wurden auch die Rufe nach Weltkriegsreparationen wieder lauter.


Die Botschaft ist klar: Wenn es darum geht, Schulden einzufordern und die Einhaltung von Regeln zu fordern, müssen wir uns vor allem von Deutschland nichts sagen lassen. Dazu kommt, dass die Reparationsforderungen von 278,7 Milliarden Euro fast an den aktuellen Schuldenstand des griechischen Staatshaushalts heranreichen. Mit anderen Worten: Würde Deutschland heute zahlen, wäre das Land quasi schuldenfrei. Eine aus griechischer Sicht verlockende Rechnung.


Die griechische Regierung fordert - die Bundesregierung sagt nein. Klicken Sie sich durch die kurze Chronik des Reparationsstreits:







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