samedi 4 avril 2015

Angezündetes Flüchtlingsheim: "Es bleibt dabei - Tröglitz bekommt 40 Asylbewerber"


Wenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.




In Tröglitz werden Flüchtlinge leben: Landrat Götz Ulrich (CDU) will an der Unterbringung von Asylbewerbern in dem 2700-Einwohner-Ort festhalten - auch nach dem Feuer in der geplanten Flüchtlingsunterkunft. "Es bleibt dabei, Tröglitz bekommt 40 Asylbewerber", sagte er SPIEGEL ONLINE. Ab Mitte Mai sollten die ersten Flüchtlinge in die Kleinstadt im Burgenlandkreis kommen, in das hell gestrichene Haus in der Ernst-Thälmann-Straße ziehen. In dem sanierten Gebäude sollten zwölf Wohnungen für sie hergerichtet werden, ein Wachdienst und ein Sozialarbeiter sich um die 40 Menschen kümmern, überwiegend Familien. Das hatte der Landrat auf einer Bürgerversammlung am Dienstag angekündigt - und hatte sich einige Pöbeleien von Rechtsextremen und Gegnern des Heimes anhören müssen, die die Veranstaltung nutzten, um Stimmung zu machen (lesen Sie hier den Bericht von vor Ort). Ursprünglich war einmal von 70 Flüchtlingen die Rede gewesen.

An dem Zeitplan wird der Landrat nun kaum noch festhalten können - von dem Dachgeschoss des Gebäudes sind nur kaputte Ziegel, ein schwarzes Balkengerippe und zersprungene Fenster übrig. Die Polizei spricht von einem sechsstelligen Schaden, das Haus ist unbewohnbar.


Landrat Götz Ulrich (CDU) auf der Bürgerversammlung: "Wir sind alle schockiert"Zur Großansicht

DPA


Landrat Götz Ulrich (CDU) auf der Bürgerversammlung: "Wir sind alle schockiert"




Die Beamten gehen von Brandstiftung aus, "mit großer Wahrscheinlichkeit" seien Brandbeschleuniger verwendet worden, heißt es in einer Pressemitteilung. Ein politischer Hintergrund liegt laut Polizei nahe. Der zuständige Staatsanwalt Jörg Wilkmann sagte, es handle sich um eine "gemeingefährliche Straftat schlimmster Art".

Zwei Menschen, eine 50-jährige Frau und ein 52-jähriger Mann, die noch in dem Haus wohnten, konnten sich nach der Warnung einer Nachbarin unverletzt in Sicherheit bringen. Gegen 2 Uhr morgens hatte sie die Flammen bemerkt. Das Landeskriminalamt (LKA) und die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd haben eine Ermittlungsgruppe gebildet, das LKA ist federführend, auch der Staatsschutz ist involviert.


"Wir sind alle schockiert", sagte Landrat Ulrich, der am Morgen den Brandort besuchte. Der Jurist sprach von dem "Unfassbarsten", was geschehen konnte. "Für mich ist auf jeden Fall klar, dass der Brand kein Anlass ist, von der dezentralen Unterbringung der Flüchtlinge im Burgenlandkreis abzuweichen - auch nicht in Tröglitz." Der Christdemokrat will nun erst einmal mit dem Hauseigentümer, einem Mann aus Niedersachsen sprechen. Es müsse geklärt werden, wann das Haus wieder bewohnbar sein könne. Ulrich vertritt ein modernes Zuwanderungsgesetz, wie es die SPD fordert - und ist damit in seiner CDU eine Ausnahme.


Ob es für die Asylbewerber jetzt noch zumutbar sei, nach Tröglitz zu kommen? "Tja, aus Sicht der Flüchtlinge ist das keine einfach Sache", antwortete der CDU-Landrat nach einer kurzen Pause. "Mein Eindruck ist aber, dass eine Mehrheit die Flüchtlinge wohlwollend sieht, auch wenn die Mehrheit der Bürger auf der Versammlung geschwiegen hat. Das habe ich anhand des Beifalls gespürt."


Ob Flüchtlinge nun in privaten Unterkünften untergebracht werden, wie es der zurückgetretene Ortsbürgermeister Markus Nierth vorgeschlagen hat, könne er nicht sagen. "Es ist noch zu früh. Es spielen natürlich auch Sicherheitsaspekte eine Rolle."


Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth (r.): Solidarität mit den FlüchtlingenZur Großansicht

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Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth (r.): Solidarität mit den Flüchtlingen




Nierth hatte die Tröglitzer noch am Samstagmorgen aufgerufen, Wohnraum für die Asylbewerber bereit zu stellen: "Wir müssen jetzt erst recht Einsatz zeigen und Unterkünfte für die Flüchtlinge anbieten. Ich stelle 150 Quadratmeter zur Verfügung." Er hoffe, dass noch mehr Bürger sich beteiligen werden. Ob er nicht Angst habe? "Nein, ich denke, das war eine feige Bande." Es habe schon länger Befürchtungen im Ort gegeben, dass das Haus angezündet werden könnte.

"Das ist fürchterlich, ich bin traurig", sagt Nierth über den Brandanschlag. "Die Wut hier ist groß. Viele Menschen sind entsetzt, sie wissen ganz genau, was das Feuer für den Ruf unserer Stadt bedeutet." Er spricht von einer "Schande für Tröglitz, die uns nun mit Mölln und Hoyerswerda in eine Reihe bringt." Davon werde Tröglitz sich wohl nie erholen, die "braune Saat" sei leider aufgegangen.


Wochenlang hatte es in dem Ort seit Januar unter der Führung des NPD-Funktionärs Steffen Thiel Protestzüge gegen die neue Unterkunft gegeben. An den Umzügen nahmen auch Tröglitzer teil. Als die Rechtsextremen und Gegner des Flüchtlingsheims vor seine Haustür ziehen wollten, trat der parteilose Bürgermeister Nierth vor vier Wochen zurück (lesen Sie hier ein Interview mit ihm). Er fühle sich alleingelassen von Behörden und vielen Mitbürgern, teilte der Vater von sieben Kindern mit und kritisierte eine "schweigende Mitte". Das Entsetzen bundesweit war groß, auch weil Nierth Morddrohungen erhielt.


Der 46-Jährige engagiert sich weiter für die Asylbewerber, hat mit dem örtlichen Pfarrer Matthias Keilholz und anderen eine Bürgerinitiative gegründet, die für ein Willkommen der Flüchtlinge wirbt. Die Bürgerinitiative hat für diesen Samstagabend zu einer Demonstration und Lichterkette auf dem Friedensplatz in Tröglitz aufgerufen. "Es wird Zeit, Gesicht zu zeigen!!!", heißt es in einem Aufruf auf Facebook. "Jetzt erst recht", sagt Nierth, der die Versammlung mit seiner Frau Susanne angemeldet hat. Erwartet wird Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). "Ich bin tief betroffen und wütend, dass dieses Verbrechen stattgefunden hat", sagte er. "Jetzt wollen wir zeigen, dass das bürgerschaftliche Engagement steht und dass wir alles dafür tun werden, dass wir die Flüchtlinge wie geplant unterbringen können." Eine "beschämende Tat", twitterte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD).

Auch Landrat Ulrich wird bei der Kundgebung am Samstagabend dabei sein: "Wir dürfen jetzt nicht einknicken und zurückziehen."






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